: Unrecht und billig
AUSBEUTUNG Wieder einmal versucht Schlecker, den Beschäftigten nur Armutslöhne zu zahlen. Die Betriebsräte wehren sich vor Gericht
■ Was: Am Donnerstag, dem 15. Oktober, findet vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ein Verfahren von Schlecker-Betriebsräten des Zuständigkeitsbereichs Berlin V (Ost-Berlin/ Brandenburg) gegen das Unternehmen Schlecker statt.
■ Warum: Erwartet wird eine Entscheidung, dass Schlecker weiterhin Tariflöhne bezahlen muss und die Betriebsräte nicht übergehen darf.
■ Wo: Das Verfahren ist öffentlich. Es beginnt um 11.30 Uhr in Raum 341 des Landesarbeitsgerichts, Magdeburger Platz 1, in Berlin.
VON WALTRAUD SCHWAB
Verstärkt versucht der Discounter Schlecker seit ein paar Monaten die Löhne seiner Arbeitnehmerinnen zu drücken und die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte auszuhebeln. Die Register, die der Konzern dabei zieht, sind vielfältig. Kündigungen gehören dazu wie auch der Einsatz von schlechter bezahlten Aushilfskräften. Schließungen von Filialen stehen ebenfalls auf dem Programm. Stattdessen werden neue Schlecker-XL-Märkte mit erweitertem Sortiment, aber ohne Arbeitnehmervertretung eröffnet. Der Konzern will Kosten sparen – auf Kosten der Verkäuferinnen.
Die Einsprüche der Schlecker-Betriebsräte werden bei diesen Strategien weitgehend übergangen. Wollen sie sich gerichtlich gegen das Vorgehen von Schlecker wehren, müssen sie sich auf langwierige Verfahren einstellen. Am 15. Oktober hoffen die Schlecker-Betriebsräte im Zuständigkeitsbereich „Berlin V“ vor dem Berliner Landesarbeitsgericht dennoch einen Schritt weiterzukommen.
In Deutschland gibt es rund 10.650 Schlecker-Filialen mit 35.000 Beschäftigten. Der Schlecker-Clan verdient gut daran. Laut neuester Ausgabe des Manager Magazins steht die milliardenschwere Familie auf Platz 35 der Liste der reichsten Deutschen. Das ist das eine.
Das andere: Seit Ende 2008 kündigt Schlecker verstärkt langjährigen Mitarbeiterinnen betriebsbedingt. Diese erhielten bisher nach Tarif zwischen 9,87 Euro und 12,34 Euro Stundenlohn. Gleichzeitig gibt es jetzt einen vermehrten Einsatz von Aushilfskräften. Denen werden oft nur Arbeitsverträge für eine Woche gegeben. Und zwar jede Woche neu. Die angebotenen Stundenlöhne liegen bei 6,78 Euro – ein Drittel unter dem bisherigen Tariflohn. „Neue Wochenlöhnerinnen“ nennt sie Benedikt Hopmann.
Hopmann ist Rechtsanwalt und vertritt die Betriebsräte von Schlecker im Zuständigkeitsbereich Berlin V. Dort sind viele Verkäuferinnen von den neuen Maßnahmen betroffen. Die Betriebsräte hätten sowohl den niedrigeren Löhnen, die Schlecker diesen Verkäuferinnen bot, als auch den Wochenarbeitsverträgen zustimmen können. Das haben sie nicht getan. Schlecker hätte sich die Zustimmung deshalb per Gericht einholen müssen. Das wiederum hat Schlecker nicht getan. Gehen die Betriebsräte dagegen juristisch vor – und sie müssen dies in jedem einzelnen Fall tun – ist die Woche, um die da gestritten wird, längst vorüber. „Die gerichtlichen Verfahren gehen bei einer Wochenbefristung ins Leere“, sagt Hopmann. Und Mona Frias, Betriebsrätin bei Schlecker im Zuständigkeitsbereich Berlin V: „Wir haben nichts zu verlieren. Arbeitsplätze liegen ja nicht auf der Straße. Für mich lohnt sich immer zu kämpfen. Das versuche ich den Kolleginnen zu vermitteln.“ Die Betriebsräte müssten die Tarifverträge unter allen Umständen verteidigen, ergänzt Hopmann.
Schlecker sieht das Ganze natürlich anders. Zwar geben sie vor Journalisten keine Stellungnahme ab, vor Gericht allerdings argumentieren sie, dass Tariflohn nur gezahlt werden müsse, wenn beide Parteien tarifgebunden sind. Die Aushilfskräfte seien aber, davon geht das Unternehmen aus, in der Regel nicht in der Gewerkschaft.
MONA FRIAS, SCHLECKER-BETRIEBSRÄTIN
Selbst ist Schlecker auch nicht im Einzelhandelsverband, der die Tarifverträge aushandelt, hat diesen aber 1998 nach einem langwierigen Gerichtsverfahren, in dem Schlecker wegen versuchten und vollendeten Betrugs an den Beschäftigen verurteilt wurde, anerkannt. Bis 2008 hat das Unternehmen an alle Beschäftigten nach Tarif bezahlt, ob in der Gewerkschaft oder nicht. Laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.11.1993 kann Schlecker nun nicht plötzlich davon abweichen. Genau das will der Betriebsrat nun vor dem Landesarbeitsgericht bestätigt wissen.
Schlecker indes versucht auch über andere Wege das Lohnniveau der Beschäftigten zu drücken. Erstmalig werden LeiharbeiterInnen eingesetzt. Sie bekommen die niedrigen Stundenlöhne von 6,78 Euro. Für Leiharbeiterinnen gelten die Tarifverträge des Einzelhandels nicht. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nach dem Betriebsverfassungsgesetz aber fordern, dass er keine Leiharbeiterinnen einsetzt, sondern die Festangestellten nicht kündigt oder den Teilzeitkräften Überstunden erlaubt. Das haben die Betriebsräte im Zuständigkeitsbereich Berlin V gemacht. Der Arbeitgeber kann diesem Vorschlag zustimmen. Lehnt er ihn ab, wie Schlecker es getan hat, muss er eine Einigungsstelle anrufen. Das kostet viel Geld. Die Kosten für alle Verfahren des Betriebsrats trägt übrigens immer der Arbeitgeber.
Die dritte Strategie, mit der Schlecker die Löhne drückt und die Betriebsräte aushebelt, ist schwierig zu stoppen. Schlecker schließt in einem Einzugsgebiet Filialen, kündigt den Mitarbeiterinnen dabei betriebsbedingt und eröffnet stattdessen XL-Märkte. Weil diese Supermärkte einem anderen Unternehmen zugehörig sind, das noch keine Betriebsräte hat, sind die neu Angestellten allein auf sich gestellt, wenn es um die Frage geht, welche Stundenlöhne sie aushandeln. Allein im Zuständigkeitsbereich Berlin V wurden bisher 5 von 50 Filialen geschlossen. Im nächsten Frühjahr soll wohl stattdessen ein XL-Markt aufgemacht werden. „Das ganze Verhalten von Schlecker ist ein Skandal“, sagt Frias. „Man schickt die Leute in die Armut.“