: Magnetfelder gegen Depression
Die neue Therapie an der Uniklinik Bonn hat nur wenige Nebenwirkungen. Ein Wunderheilmittel ist sie nicht
Depressionen sind eine Volkskrankheit. Derzeit leiden schätzungsweise fünf Prozent der Bevölkerung in Deutschland daran, das sind rund vier Millionen Menschen. Etwa dreimal so groß ist die Zahl derer, die im Laufe ihres Lebens an der tiefen Niedergeschlagenheit erkranken. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO übrigens zwei- bis dreimal so viele Frauen wie Männer. Als letzte Hoffnung bei schwersten Depressionen gilt heute die Elektrokrampf-Therapie (EKT). Doch die kann noch Wochen nach der Behandlung das Erinnerungsvermögen beeinträchtigen. Eine schonende Alternative scheint die so genannte „transkranielle Magnetstimulation“ zu sein. So jedenfalls Ärzte und Psychologen des Universitätsklinikums Bonn.
Eigentlich gelten Depressionen heute als gut behandelbar: Mit einer Psychotherapie oder Medikamenten kann den meisten Betroffenen geholfen werden. Doch einige Prozent der Patienten versinken so tief in der Schwermut, dass sie auf diese Heilmethoden nicht mehr ansprechen. In diesen Fällen gilt EKT nächstes Mittel: Der Kranke wird narkotisiert. Dann leiten die Ärzte durch zwei Elektroden Stromimpulse in seinen Kopf und lösen einen epileptischen Anfall aus. Die Hirnchemie im Stirnbereich verändert sich. Jedem zweiten Patienten geht es nach einer Behandlungs-Serie von einigen Wochen so viel besser, dass man ihn dann mit Medikamenten oder Psychotherapie weiter behandeln kann. „Bei Schwerst-Depressiven ist die Elektrokrampf-Therapie heute immer noch eine wichtige Behandlungs-Option“, sagt Wolfgang Maier, Direktor der Bonner Psychiatrischen Klinik.
Dennoch war das öffentliche Bild dieser Methode lange sehr negativ – nicht zuletzt dank des Filmklassikers „Einer flog über das Kuckucksnest“. Auch da wird Psychiatrie-Insasse Jack Nicholson wegen seines aufmüpfigen Verhaltens mit einer EKT-Behandlung „gebändigt“. Die gilt heute als gut verträglich, trotz der bekannten Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens Wochen nach der Behandlung. „Diese Gedächtnisstörungen bilden sich zwar in der Regel langsam zurück, werden aber von Patienten verständlicherweise oft als störend erlebt“, sagt der Bonner Privatdozent Michael Wagner.
Seit kurzem macht eine andere Behandlungsmethode von sich reden, die kaum Nebenwirkungen hat: Bei der „Transkraniellen Magnetstimulation“ (TMS) platzieren die Ärzte eine Spule an der Stirn des Patienten. Diese erzeugt für einige Minuten ein starkes pulsierendes Magnetfeld, das im Gehirn auch einen Stromfluss hervorruft. Dieser ist jedoch so gering, dass er keinen epileptischen Anfall auslöst. Der Kranke erlebt die schmerzlose Behandlung bei Bewusstsein.
Die Bonner Mediziner haben insgesamt 30 schwer depressive Patienten entweder mit der Elektrokrampf-Therapie oder der Magnetstimulation behandelt. Beide Methoden wirkten etwa gleich gut: Jeder zweite Kranke verspürte eine Woche nach der Behandlungsserie eine deutliche Stimmungsaufhellung. „Die Einteilung der Gruppen erfolgte nicht nach dem Zufallsprinzip, was die Aussagekraft begrenzt“, schränkt Wagner ein. Auch sei die Teilnehmerzahl zu gering, als dass abschließende Aussagen zur Wirksamkeit getroffen werden könnten. Doch auch andere Studien sprächen für die stimmungsverbessernde Wirkung. Dennoch: Die Magnetstimulation ist kein Wundermittel, zumal sie Depressionen auch nicht dauerhaft besiegt. „Die TMS ist nur ein neues therapeutisches Werkzeug, das auch nicht bei allen Depressionen helfen kann“, wehrt sich Wagner denn auch gegen zu hohe Erwartungen.
Nur an wenigen Einrichtungen in Deutschland wird die Wirkung der neuen Behandlungsmethode geprüft. Und es gibt bereits neue Geräte, die noch wirksamer sein könnten. Das von ihnen erzeugte Magnetfeld ist so stark, dass es ebenfalls einen epileptischen Anfall auslösen kann. „Wir hoffen damit auf ein weiteres sehr wirksames Verfahren ohne störende Nebenwirkungen“, sagt Wagner. HOLGER ELFES