: Wer stoppt Springer?
Was ist „vorherrschende Meinungsmacht“? Kann das Kartellamt den Deal noch verhindern? Die geplante Fusion von Axel Springer mit der ProSieben-Sat.1 AG wirft jede Menge Fragen auf
Drohen jetzt in Deutschland Zustände wie in Italien?
Nein. Natürlich ist und bleibt Springer ein konservatives Medienhaus. Diese publizistische Linie sowie die sechs „gesellschaftpolitischen Essentials“, die zum Teil noch von Axel Springer selbst stammen, sind für alle Titel verbindlich. Eine zu klare politische Mission würde aber den wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns schmälern. Die direkte parteipolitische Arbeit überlässt man also anderen. Wenn aufgescheuchte MedienpolitikerInnen jetzt „Berlusconi“ schreien, ist das eher ein billiger Reflex, mit dem sie zugeben, dass sie verdächtig wenig Ahnung haben.
Hat sich Angela Merkel denn schon zu Wort gemeldet?
Natürlich nicht. Die Union ist mit ihren Reaktionen klugerweise höchst sparsam. Und Frau Merkels Sympathisantin Friede Springer hat über ihre Biografin Inge Kloepfer in der FAS ausrichten lassen, „Macht und Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland über auflagenstarke Blätter und bald auch noch über das Fernsehen“ sei für sie „kein Antrieb und erst recht kein Ziel“. Vielmehr denkt Frau Springer nur „an die Sicherung der Zukunft des Verlagshauses meines Mannes“.
Das Kartellamt wird dem Deal aber doch wohl einen Riegel vorschieben!
Die Absicht ist wohl tatsächlich da: Kartellamts-Chef Ulf Böge will die Fusion „vertieft prüfen“. Allerdings hat er wenig konkrete Packenden. Anders als in den meisten Staaten ist die Übernahme der Mehrheit an TV-Sendern durch Pressekonzerne in Deutschland nicht verboten oder mit strengen Auflagen belegt. Die beiden kritischen Punkte, die Böge bei Springer-ProSieben sieht, klingen daher ziemlich nach Hilfskonstruktionen: Einmal könnte durch Werbekooperationen mit den TV-Sendern die ohnehin schon dominierende Stellung der Bild-Zeitung im Boulevard-Pressemarkt noch verstärkt werden.
Zum anderen sei über die Tiefdruck-Sparte Springer schon heute mit dem Bertelsmann-Konzern verbandelt, zu dem die RTL-Sender gehören. Hierüber „könnte eine mittelbare Verflechtung der beiden TV-Familien entstehen“, sagte Böge der Süddeutschen Zeitung. Das ist zwar beides nicht völlig abwegig, wird aber sehr schwer im Voraus nachzuweisen sein. Und nur dann könnte das Kartellamt Nein sagen.
Aber die SPD-Medienexpertin Monika Griefahn hofft doch auch, dass die Kartellbehörden die Medienvielfalt in Deutschland erhalten „und vielleicht auch Auflagen für die Programmgestaltung gemacht werden“, wie sie im NDR sagte.
Hoffen ist nicht verboten. Was aber klar verboten ist, sind Programmauflagen durch die Kartellbehörden. Und das ist auch gut so. Beim Kartellrecht geht es um Wettbewerbsfragen, sonst nichts.
Programmauflagen könnten aber doch die fürs Privat-TV zuständigen Landesmedienanstalten machen.
Im Prinzip ja. Aber sie können den Sendern natürlich nicht vorschreiben, wie sie zu berichten haben. Auch für ProSieben und Sat.1 gilt Pressefreiheit. Außerdem hören sich die ersten Äußerungen der Landesmedienanstalten ganz anders an: „Diese Konstellation ist Garant für eine langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit und für die Weiterentwicklung der Programmqualität mit publizistischem Anspruch“, schwadroniert Wolf-Dieter Ring, Chef der Bayerischen Landesmedienanstalt und oberster Lobbyist für alle in München ansässigen Sender. Dabei ist er – zum Glück – überhaupt nicht zuständig: ProSieben hat trotz Sitzes in Bayern eine Lizenz der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Und der Berliner Sender Sat.1 eine aus Rheinland-Pfalz.
Macht nichts, schließlich ging es wie so oft bei Ring ja auch nicht um eine qualifizierte Einlassung. Für Springer kam die Schützenhilfe gerade recht: „Bayerische Aufsicht gibt Entwarnung“, titelte am Samstag die Welt. Alles paletti also.
Es gibt doch noch eine „Kommission zur Ermittlung des Konzentrationsgrades im Medienbereich“ (KEK). Muss die nicht wenigstens etwas machen?
Die ist schon dabei. Sie hätte als Einzige sogar ein Instrument, die Bildung solch großer Medienblöcke zu verhindern. Zwar darf ein Konzern nämlich „bundesweit im Fernsehen eine unbegrenzte Anzahl von Programmen veranstalten“ – aber nur, solange er „dadurch keine vorherrschende Meinungsmacht erlangt“. Und die wird laut Rundfunkstaatsvertrag ab einem Zuschaueranteil von 30 Prozent angenommen. 2004 kam die ProSiebenSat,1-Familie aber nur auf 21,8 Prozent.
Allerdings kann die KEK auch auf Meinungsmacht erkennen, wenn „eine Gesamtbeurteilung“ der Konzernaktivitäten „im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss einem Zuschaueranteil von 30 Prozent entspricht“. Doch was genau diese medienrelevanten verwandten Märkte sind und wie man im konkreten Fall zum Beispiel die Stellung der Bild-Zeitung misst und bewertet, ist noch völliges Neuland. Ein KEK-Symposium wird dem jetzt nachgehen – aber erst im Oktober.
Springer wird zu dieser Frage außerdem argumentieren, dass dem Bertelsmann-Konzern, der mit seiner Verlagstochter Gruner + Jahr (Stern, Brigitte, Geo) ebenfalls ein Print-Riese ist, ja auf derselben Grundlage 2001 die vollständige Übernahme der RTL-Gruppe erlaubt wurde.STEFFEN GRIMBERG