Torben Becker sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt:
Je konkreter eine politische Forderung ist, desto schwieriger ist es, dafür breit zu mobilisieren“, sagte Reiner Wild, Vorstandsmitglied des Berliner Mietervereins der taz. Damit fasst er eine vermeintliche Stagnation der Mieter:innenbewegung zusammen.
Denn während an der Mietenwahnsinn-Demonstration im letzten April noch rund 40.000 Menschen teilnahmen, kam zur Demonstration für den Mietendeckel im Oktober nur noch ein Zehntel. Auch deshalb profitieren akut von Verdrängung bedrohte Räume, Projekte und Personen nur bedingt von der großen Bewegung. Obschon die Kollektivkneipe Syndikat im Schillerkiez seit mehr als einem Jahr fortwährend Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen organisierte und en passant ein Briefkastenfirmennetzwerk aufdeckte, änderte der Protest nichts an einer bevorstehenden Räumung der Kneipe. Am 26. November erließ das Landgericht Berlin gegen die Kneipe einen Räumungstitel. Dergleichen droht auch anderen Projekten der linken Berliner Szene. Am 12. Dezember folgt der Räumungsprozess für die Kreuzberger Kneipe Meuterei. Doch allem Verdruss zum Trotz versucht die Szene auch weiterhin, gemeinsam gegen Verdrängung zu kämpfen. Der Protestauftakt diese Woche findet am Donnerstagabend in Kreuzberg 36 statt. Dort wird gegen Verdrängung, hohe Mieten und Gentrifizierung demonstriert (5. 12., Eisenbahnstr. 41, 19 Uhr).
Am Samstagnachmittag jagen Aktivist:innen der Meuterei unter dem Motto „Wir gehen steil“ Zeichen und Fratzen des Widerstandes über den Kreuzberger Himmel. Sie laden ein, im Görlitzer Park gemeinsam Drachen steigen zu lassen. Im Anschluss haben sie eine Demonstration durch den Bezirk organisiert, um im Vorfeld zum Räumungsprozess für den Fortbestand der Kneipe zu kämpfen (Drachensteigen: 7. 12., Görlitzer Park, 15 Uhr; Demo: 16.30 Uhr).
Nachdem im Räumungsprozess der „Liebig 34“ noch kein Urteil gesprochen wurde, wird es am 13. Dezember erwartet. Auch der alteingesessene Jugendclub Potse in Schöneberg wartet auf einen Räumungsprozess. Etliche weitere Projekte seien räumungsbedroht oder bekämen keine neuen Mietverträge. Darunter: Wagenplatz SabotGarden, Køpi Wagenplatz, Lause10 und die Rigaer94. Ist es Zufall, dass auffällig viele linke Projekte von Verdrängung bedroht sind? Vielleicht nicht. Deshalb wird im Sinn einer interkiezionalen Solidarität am Sonntag eine Vollversammlung in der Kaderschmiede organisiert, um auf zukünftige Räumungen vorbereitet zu sein (8. 12., Rigaer Str. 94, 15 Uhr).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen