: Polizei fordert Steuerpolizei
Der Zoll brauche mehr Möglichkeiten, um Finanzbetrüger zu verfolgen, erklärt die Polizeigewerkschaft. Umsatzsteuer sei ein sehr lohnendes Betätigungsfeld
BERLIN taz ■ In Italien fallen sie sofort auf. Blaue Uniformen, weiße Mützen, Maschinenpistolen: die Guardia Finanzia. Die Finanzpolizisten verfolgen selbst diejenigen, die ihre Kassenbons vom letzten Einkauf nicht dabeihaben. Auch in Deutschland fordern die Polizei sowie viele Zollbeamten eine Bundesfinanzpolizei. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sogar schon eine Kommission „Bundesfinanzpolizei“ ins Leben gerufen und ein eigenständiges Label entwickelt.
Wie in Italien solle es aber nicht zugehen, versichert Frank Buckenhofer, selbst Zollbeamter und Vorsitzender der Kommission. Stattdessen wolle man die organisierte Kriminalität effektiver bekämpfen. Die GdP verweist auf einen vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofes, der einen dramatischen Anstieg der Steuerhinterziehung beklagt: 20 Milliarden Euro entgingen dem Staat jährlich. Es handele sich um so genannte „Umsatzsteuer-Karusselle“, bestätigt Michael Reinert vom Bundesrechnungshof. Dabei werde die Ware so lange hin und her geschoben, verkauft und verschifft, bis nicht mehr nachvollziehbar sei, wer die Mehrwertsteuer bezahlen muss. Der Bundesrechnungshof verlangt nun eine „konzentriertere Strafverfolgung“. Aber ob eine Bundesfinanzpolizei die Wirtschaftskriminalität verringern könnte – dazu will sich Reinert nicht äußern.
Hartmut Kühn, GdP-Geschäftsführer, hingegen fühlt sich bestätigt: „Der Bericht zeigt, dass wir eine schlechte Polizeistruktur haben, die reformbedürftig ist.“ Sein Kollege vom Zoll betont, dass die Reform gar nicht schwierig wäre: „Wir wollen keine neue Behörde“, sagt Frank Buckenhofer. Die Kommission „Bundespolizei“ fordere nur, dass für einen Teil des Zolls künftig auch das Polizeirecht gilt. Denn im Alltag würden ganz praktische Probleme die Zollbeamten behindern: „Wenn wir ein Auto auf Verdacht des Zigarettenschmuggels anhalten, aber eine Leiche im Kofferraum finden, sind wir machtlos.“ Denn solche Delikte sind in der Aufgabenbeschreibung des Zoll-„Vollzugsdienstes“ bisher nicht vorgesehen. „Wir als Zolleinheit wollen nur erweiterte Zuständigkeiten.“
Hans Achenbach, Professor für Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Osnabrück, findet dagegen, dass die Befugnisse der Bundeszollfahndung ausreichen. Auch die heute für die Aufsicht über die Zollverwaltung zuständige Bundesfinanzverwaltung sträubt sich gegen eine Strukturreform. „Zöllner sind auch Finanzbeamte“, erklärte Oliver Heyder-Rentsch vom Bundesfinanzministerium. Die Zollverwaltung sei eben eine Mischung aus Finanz- und Überwachungsbehörde. Deshalb bräuchten die Zollfahnder auch eine zollspezifische Ausbildung – und nicht reines Polizeirecht.
SUSANNE GÖTZE