JÜRGEN GOTTSCHLICH ÜBER DAS ABKOMMEN ZWISCHEN TÜRKEI UND ARMENIEN
: Historischer Friedensschluss

Die Türkei muss endlich aus der „Völkermord“-Sackgasse herauskommen

Auch wenn die Bilder von der Öffnung der Grenze zwischen der Türkei und Armenien noch ein paar Monate auf sich warten lassen werden, die beiden Länder haben mit der Vereinbarung eines Normalisierungsvertrages den entscheidenden Schritt getan. Die Zeit dazu war überfällig, und auch wenn die Opposition in beiden Ländern vehement protestiert, der Schritt ist irreversibel. Denn letztlich sind beide Nachbarn auf eine Versöhnung angewiesen.

Das geografisch völlig isolierte Armenien braucht unbedingt eine offene Grenze nach Westen, das Land wird sonst wirtschaftlich nicht auf die Beine kommen. Und die Türkei muss, wenn sie sich als Regionalmacht profilieren und ihre Chancen auf eine EU-Annäherung wahren will, endlich aus der „Völkermord“-Sackgasse herauskommen.

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Regierung Erdogan zu einer echten Geschichtsaufarbeitung bereit ist – vielleicht sind dann auch die Armenier bereit anzuerkennen, dass sie nicht nur Opfer waren. Neben diesen entscheidenden Bedingungen gebührt der Schweiz große Anerkennung, die über ein Jahr lang die Gespräche zwischen beiden Ländern diskret und beharrlich moderiert hat. Zwar waren die USA der entscheidende Druckfaktor, und auch Russland hat eine Annäherung Armeniens an den Westen zumindest nicht behindert, doch die Schweizer Außenministerin Michelin Calmy-Ray war es, die vor Ort die Gespräche in Gang gehalten hat.

Mit der Vereinbarung von Zürich kommt nun endlich auch in die Verhandlungen über Berg-Karabach Bewegung. Die Türkei macht für eine Grenzöffnung indirekt zur Voraussetzung, dass Armenien wenigstens einen Teil des besetzten aserbaidschanischen Territoriums räumt. Angeblich sind die Verhandlungen in der finalen Phase. Ein Abkommen wäre das positive Gegenbeispiel zu dem Desaster in Georgien und ein Vorbild für den gesamten Kaukasus.