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Park und bleche!

„Macht privater Wettbewerb die S-Bahn schneller?“, taz vom 13. 11. 19

„Ist der Neoliberalismus noch zu retten?“So lautet der gleichermaßen rhetorisch wie zynisch gemeinte Titel der 2018 erschienenen Abrechnung mit dem anhaltend hegemonialen Marktfundamentalismus neoliberaler Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Autor dieser Kritik ist der renommierte englische Professor Colin Crouch. „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus“ hatte Crouch schon sieben Jahre zuvor in einem weiteren Buch festgestellt. Ein viertelseitiger taz-Beitrag kann dem Anspruch einer wissenschaftlichen Analyse nicht genügen. Aber eine Argumentation, die, wie es Stefan Alberti tut, gerade die englischen Erfahrungen mit der Privatisierung als „Horrorgeschichten“ ins Abseits des Seriösen zu rücken versucht, lässt sich nicht ernst nehmen.

Jenseits dieser allgemeinen Bemerkung zur verhängnisvollen Lobhudelei antistaatlicher, privater, profitgerichteter Aktivitäten möchte ich ein Beispiel „folgenreicher“ Privatisierung im Verkehrsbereich zur Diskussion stellen. Kürzlich nahm ich einen Zahnarzttermin in der relativ befahrenen Kirchstraße im Pankower Norden wahr. Auf der Gebäudeseite der Kirchstraße befindet sich ein markierter Parkstreifen ohne Parkuhren, auf dem Autos quer zur Straße parken können. Wie etliche Male zuvor habe ich mein Auto unmittelbar vor der Zahnarztpraxis geparkt.

Zu Hause angekommen, entdeckte ich unter dem Scheibenwischer einen knallgelben Papierstreifen, der unter der fett gedruckten Überschrift „Parkverstoß“ und „Zahlungsaufforderung“ folgende Informationen enthielt: 1. Absender: nicht eine Berliner Ordnungsbehörde, sondern: Park & Control PAC GmbH, Sitz laut Internet: Flughafen Stuttgart. 2. „Verstoß: Sie haben auf einem Privatgelände geparkt und gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)“ von Park & Control verstoßen“ […] „Sie haben das Fahrzeug ohne gültigen Parkausweis abgestellt“ und „eine Vertragsstrafe in Höhe von 30 Euro zu bezahlen“. 3. „Zahlungsinformationen und Ankündigung gerichtlicher Geltendmachung bei Nichtzahlung.

Vergleicht man diesen Vorgang mit dem üblichen Verfahren der Verletzung eines Parkverbots, lässt sich festhalten: Die Verletzung einer privatvertraglichen Regel ist doppelt so „teuer“ wie das für Berlin landesübliche „Ticket“ von maximal 15 Euro; die Verwandlung eines hoheitlichen straf- oder ordnungsrechtlichen in einen privatrechtlichen beziehungsweise zivilrechtlichen Anspruch verweist den betroffenen „Vertragspartner“ im Falle des Widerspruchs in die kostspieligere private Gerichtsbarkeit; das heißt, eine auf Staatskosten mögliche Einspruchsmöglichkeit entfällt; anders, als die Zahlungsaufforderung unterstellt, handelt es sich meines Erachtens bei dem Parkplatz nicht um „Privatgelände“, sondern wohl um der Gesellschaft miet- oder pachtweise überlassenes öffentliches Eigentum. Fritz Sack, Berlin

Peinlich

„Das entschuldet es nicht“,

taz vom 12. 11. 19

Mich erstaunt doch sehr der unkommentierte Abdruck dieser dpa-Meldung, nach der beim Auftritt der Sängerin Anna Loos auf der Bühne neben dem Brandenburger Tor anlässlich des Mauerfalljahrestags „als Videoprojektion in hebräischen Buchstaben für kurze Zeit der Schriftzug ,Schluss mit der Besatzung‘ zu lesen“ war. Moritz van Dülmen, Chef der Agentur Kulturprojekte Berlin, habe sich dafür entschuldigt. Meines Erachtens gibt es zahlreiche UNO-Resolutionen, die die Besetzung des Westjordanlands und Ostjerusalems verurteilen. Warum sich also für den Schriftzug entschuldigen?

Peinlich sowieso das Verhalten der westlichen „freien“ Welt zu Enteignungsbegehren Israels für ein Gebiet an der Grenze zu Jordanien. Hier wäre ein entschiedenes Einschreiten für die Interessen ­Palästinas angezeigt gewesen!

Georg Koch, Berlin

Für die Patienten

„Gesundheit von unten“,

taz vom 5. 11. 19

taz.die tageszeitung Friedrichstr. 2110969 Berlin briefe@taz.de www.taz.de

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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Welch ein Déjà-vu-Erlebnis beim Lesen des Beitrages! So viel sei noch angemerkt: Gesundheitszentren mit ähnlichen Konzepten hat es in der BRD Ende der Siebziger sehr wohl gegeben, unter anderem in München Hasenbergl, in Riedstadt, in Frankfurt, in Bremen, in Berlin-Gropiusstadt und an der Berliner Heerstraße. Zwischen diesen Zentren hat es einen regen Austausch gegeben.

Es gab unterschiedliche Ansätze, zum Beispiel bezüglich der Finanzierung, aber alle Zentren hatten einen fachübergreifenden und psychosozialen Ansatz. So wurde der psychosoziale Fachbereich in Riedstadt mit zwei PsychologInnen und einer Sozialarbeiterin über zwei Jahre von der Bosch-Stiftung gefördert, nichtärztliche Berufe waren einbezogen, verschiedene Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen waren integriert. Auch der Zusammenhang von Gesundheit, Ökologie und Umwelt wurde diskutiert.

Die Entwicklungen der einzelnen Zentren ist sehr unterschiedlich verlaufen – aber es hat sie gegeben, und sie haben viele Jahre zum Wohle der Patienten gearbeitet.

Ich freue mich sehr, dass diese Ideen zu neuen Strukturen und erweiterten Inhalten der medizinischen Versorgung wieder aktiv umgesetzt werden sollen. Den drei Frauen in Berlin-Neukölln können wir jetzt nur noch gutes Gelingen wünschen!

Lore Schirz, Olaf Nagel, Riedstadt