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Archiv-Artikel

DEN KUMPELN IN CHINAS BERGWERKEN KANN NUR DEMOKRATIE HELFEN Opfer des korrupten Systems

Chinas Bergwerke sind Todesfallen. An ihrer Kohle, die über 70 Prozent der Energie für das atemberaubende chinesische Wirtschaftswachstum liefert, klebt Blut: In keinem anderen Land der Welt sterben so viele Kumpel durch Gasexplosionen, Wassereinbrüche und andere Katastrophen.

Tut die Regierung nichts dagegen? Doch, sie tut etwas: Um zu zeigen, wie sehr er sich um das Wohl der einfachen Leute sorgt, begab sich Premier Wen Jiabao persönlich unter Tage und aß mit geschwärztem Gesicht und Bergarbeitern ein bescheidenes Mahl – vor laufender Kamera. Vor allem aber haben die Behörden in den letzten Jahren zahlreiche neue Vorschriften erlassen, um die Sicherheit im Bergbau zu verbessern. Zehntausende gefährliche Minen wurden geschlossen, große Staatsbergwerke modernisiert. In diesem Jahr fließen nach amtlichen Angaben 1,8 Milliarden US-Dollar in verbesserte Technik und den Schutz der Kumpel.

Doch das alles hilft nicht. Denn die Gesetze sind oft nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Von den angekündigten Investitionen in verbesserte Sicherheit landet viel in privater Tasche. Für die Bergwerksbetreiber ist es billiger, die Entschädigung an die Familien der Opfer zu zahlen: der übliche Satz liegt bei rund 2.000 Dollar. Wer doch einmal – was höchst selten ist – vor Gericht gestellt wird, kommt glimpflich davon.

Chinas System ist korrupt. Eine freie Presse oder freie Gewerkschaften, die Missstände rechtzeitig aufdeckten, sind tabu. Parteifunktionäre, Provinzfürsten und örtliche Geschäftsleute herrschen oft wie die Mafia. Wenn die Regierung, wie jetzt im Fall der 102 eingeschlossenen Bergleute in der Provinz Guangdong, ankündigt, dass sie „hochrangige Funktionäre“ zum Unglücksort schickt, hat das einen guten Grund: Peking fürchtet, dass die Behörden vor Ort Hintergründe vertuschen. Das könnte Proteste in der Bevölkerung auslösen, wie es sie derzeit in vielen Dörfern und Städten gibt.

Sollten Chinas Bergleute versuchen, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam mehr Sicherheit in den Minen zu fordern, droht ihnen Gefängnis wegen „Subversion“. Die Diktatur der KP lässt nicht zu, dass sich die Situation bessert. JUTTA LIETSCH