Uffmucken

Im Südosten Berlins hat sich die Neonaziszene gut etabliert. Doch nun regt sich Protest in Schönweide – mit Konzerten und alternativen Veranstaltungen soll eine neue Kultur einziehen

Alternative Veranstaltungen und antifaschistische Kiezspaziergänge in Schönweide.

Nächster Termin

Für den 8. September ist eine antifaschistische Fahrraddemo geplant. Nähere Informationen finden sich in Kürze auf dem Blog der Initiative.

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uffmucken-schoeneweide.de

Kati Becker hat genug. „Es wird Zeit, dass etwas unternommen wird gegen die Nazis in Schöneweide“, sagt die Aktivistin des Projekts „Uffmucken“. Zu lange habe man zugeschaut, wie sich Neonazis den Stadtteil zu eigen gemacht haben. Man wolle keine rassistischen Pöbeleien mehr auf offener Straße, keine Naziläden und Bars, in denen sich Nazis treffen können, und keine Graffitis und Sticker, auf denen gegen MigrantInnen gehetzt wird. Zwar sei in den letzten Jahren Schöneweide in den Fokus antifaschistischer Arbeit gerückt. Doch die großen Antifa-Demos würden nur kurzzeitig etwas bewirken, und die Arbeit der bürgerlichen Initiativen sei zu passiv und zögerlich. Viele hätten Angst vor Racheaktionen der Nazis, berichtet Becker.

Für die Aktivistin ist klar, dass ein permanentes und aktiveres Engagement hermuss, um das große Naziproblem in Schöneweide aus der Welt zu schaffen. Genau das ist das Ziel des Projekts „Uffmucken“. Mit einer kontinuierlichen und offensiven Antinaziarbeit wollen sich AnwohnerInnen, Jugendliche und VertreterInnen aus Antifa-Gruppen, Initiativen und Jugendprojekten den öffentlichen Raum zurückerobern und zugleich eine Alternativkultur im Stadtteil etablieren. „Es geht darum, den Nazis klarzumachen, dass ihnen dieser Kiez nicht gehört. Sie haben sich hier viel zu lange ungestört ausbreiten können“, sagt Becker, die im Zentrum für Demokratie in Schöneweide arbeitet.

Das Anfang des Jahres gegründete Projekt kommt genau zur richtigen Zeit. In Schöneweide haben sich in den letzten zehn Jahren eine Großzahl organisierter Neonazis niedergelassen. Unter ihnen sind bekannte Köpfe wie Sebastian Schmidtke, der Vorsitzende der NPD Berlin. Die Zahl der aktiven Neonazis in Schöneweide schätzt das Projekt auf insgesamt 50. Auch eine ganze Reihe ehemaliger Kader würden im Kiez wohnen und dort ihre Geschäfte betreiben. Zudem gebe es in Schönweide viele Mitläufer und Sympathisanten.

Zusätzlich zu der rechten AnwohnerInnenschaft existieren in Schöneweide eine ganze Reihe rechter Etablissements: Angefangen mit dem Klamottenladen „Hexogen“, der seine KundInnen mit rechtem Lifestyle versorgt, über die beiden Kneipen „Zum Henker“ und „Der Eisenbahner“ bis hin zu einem Rocker-Clubhaus und einem Buchladen haben die Nazis verschiedene wichtige Treffpunkte in Schöneweide. Diese Strukturen konzentrierten sich vor allem um die Brückenstraße nahe des S-Bahnhofs. „Wenn wir jetzt nichts unternehmen, können bestimmte Gesellschaftsgruppen nicht mehr hierherkommen“, sagt Becker.

Das Rezept von „Uffmucken“, mit Aktionen gegen das Nazi-Problem vorzugehen, erscheint simpel. Dass direkte Aktionen aber riskant sind, zeigt die Zurückhaltung der bürgerlichen Initiativen. Die Aktivistin und ihre MitstreiterInnen wollen dennoch offen gegen Nazis aktiv werden. Mehrmals schon riefen sie zu „Putzspaziergängen“ auf, bei denen gezielt Aufkleber und Graffitis der rechten Szene entfernt wurden. Beim letzten Kiezspaziergang Anfang August beteiligten sich über 100 Personen.

Darüber hinaus organisiert „Uffmucken“ regelmäßig Info-Stände sowie Kundgebungen und beteiligt sich an den großen Demos in Schöneweide. Wie Becker berichtet, reagierten die AnwohnerInnen positiv auf die Arbeit des Projekts. Sie freut sich, dass viele Zugezogene sich gegen Nazis starkmachten. Auch hätten Jugendliche eigenständig Putzspaziergänge gemacht, ohne dass das Projekt dazu aufgerufen habe. Allerdings würden auch die Nazis Rundgänge machen, um die entfernten Aufkleber wieder anzubringen.

Ein weiteres wichtiges Ziel des Projekts ist es, eine alternative Jugendkultur im Kiez zu etablieren. Das Problem sei, dass alternatives Leben nicht so sichtbar sei auf der Straße wie zum Beispiel in Köpenick, wo es Projekte wie den Mellowpark gebe. Entsprechend will das „Uffmucken“ Konzerte organisieren und bestehende Einrichtungen dazu bewegen, alternative Veranstaltungen wie Lesungen oder Diskussionsveranstaltungen durchzuführen, um junge Leute aus den nahe gelegenen Bezirken und aus der Innenstadt in den Kiez zu holen. „Schöneweide braucht coole junge Leute, die eine andere Kultur leben“, sagt Becker. Je mehr Einrichtungen mitmachen würden, desto besser. Schon allein, weil die Nazis es dann nicht so einfach hätten, dagegen vorzugehen.

Wer bei „Uffmucken“ mitmachen möchte, kann dies auf verschiedene Weise tun: Zum einen freut sich das Projekt über weitere MitstreiterInnen, die bei der Planung und Durchführung von Aktionen helfen. Zum anderen ist jeder aufgerufen, sich an den Aktionen zu beteiligen. Nähere Informationen gibt es auf dem Blog des Projekts (siehe Infotext links). „Jetzt geht’s erst richtig los“, sagt Becker. LUKAS DUBRO