: Der Mario Monti des Kinos
BEWUNDERER ÜBER BARBERA
In Italien sei er „der einzige Cineast, der einen Smoking zu tragen versteht“, sagen seine Bewunderer über Alberto Barbera, den neuen künstlerischen Leiter des Filmfestivals von Venedig, das am Mittwoch seine Tore öffnet. Leise Töne, sicherer Auftritt, klare Ideen: Es waren wohl diese Tugenden, derentwegen der 62-Jährige erneut an seine alte Wirkungsstätte – das Festival am Lido hatte er schon in den Jahren 1999 bis 2001 geleitet – berufen wurde.
Silvio Berlusconis Wahlsieg im Jahr 2001 hatte es Barbera seinerzeit zu verdanken, dass seine erste Amtszeit ein recht kurzes Intermezzo blieb: „Zu links“ nämlich war er in den Augen des Berlusconi-Kulturministers Giuliano Urbani, und seine Hauptschuld bestand darin, angeblich „zu wenige amerikanische Filme“ nach Venedig geholt zu haben – und dies, obwohl unter Barbera das Filmfestival einen neuen Aufschwung erlebt hatte.
Selbst Urbani wagte es übrigens nicht, die Kompetenz Barberas infrage zu stellen, eines Mannes, der sein ganzes Leben seit den Universitätszeiten dem Film gewidmet hat, zunächst als Filmkritiker und Mitarbeiter der italienischen Vereinigung der Programmkinos, dann als Leiter diverser Festivals und nach seinem Rauswurf in Venedig seit 2004 als Direktor des Filmmuseums Turin.
Jetzt tritt Barbera gleichsam als der Mario Monti des Kinos wieder in Venedig an.
Sein Lieblingswort ist „Krise“: Krise der Gesellschaft, Krise des Films, Krise auch der Festivals. Barbera macht sich und anderen nichts vor. „Die Festivals haben ihre Bedeutung, ihre zentrale Rolle verloren“, dekretierte er dieser Tage, und sie müssten sich 80 Jahre nach dem ersten Filmfestival in Venedig gleichsam neu erfinden. Ganz wie Italiens Regierungschef Monti setzt Barbera dabei auf Verschlankung, auf Nüchternheit und Innovation.
Bloß noch 18 Filme werden deshalb im Wettbewerb laufen, und auch das Drumherum der Filme außerhalb des Wettbewerbs um den Goldenen Löwen ist radikal abgespeckt. Natürlich dürfen auch diesmal einige große Namen wie Brian De Palma, Terrence Malick oder Marco Bellocchio nicht fehlen, ansonsten aber kommen neue Gesichter zum Zuge, viel Platz gibt es für Dokumentarfilme. Und anders als sein Vorgänger Marco Müller wollte Barbera wieder einen roten Faden für das Festival: Er heißt – wie könnte es anders sein – „Krise“. MICHAEL BRAUN