: Joblose am Telefon ausgehorcht
Die telefonische Befragung von Arbeitslosengeld II-Beziehern durch die Bundesagentur stößt bei Betroffenen und Datenschützern in NRW auf Kritik: „Aktion hätte angekündigt werden müssen“
VON NATALIE WIESMANN
Datenschützer und Arbeitslose in NRW verurteilen die Telefonbefragung der Bundesagentur für Arbeit (BA). Von Mitte Juli bis Anfang August wurden bundesweit 350.000 Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II angerufen und ausgefragt, ohne dass diese vorab informiert wurden. Zu spät forderte der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar (Grüne), vor zwei Tagen den sofortigen Stopp der von einem privaten Call-Center durchgeführten Aktion.
Dass die Arbeitslosen nicht über die Weitergabe ihrer Telefonnummern Bescheid wussten, findet auch die NRW-Datenschutzbeauftragte, Bettina Sokol, sehr bedenklich: „Es haben sich schon viele bei uns beschwert, die von der Umfrage überrumpelt wurden“, sagt ihre Sprecherin Bettina Gayk. Auch hätten viele Interviewer am Anfang des Gesprächs nicht betont, dass die Beantwortung der Fragen freiwillig sei. Zudem seien BürgerInnen angerufen worden, die bereits eine Arbeit gefunden hatten. „Die Daten scheinen wohl nicht mehr auf dem neuesten Stand gewesen zu sein“, so Gayk. Die nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte halte es außerdem für möglich, dass mit den Daten Missbrauch betrieben würde. „Jeder Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen hat Zugriff auf die Software, die Befragten wissen nicht, wer sie wirklich anruft“, sagt Gayk. Auch der Bundesbeauftragte Schaar hatte vor Trittbrettfahrern gewarnt, die sich unter Berufung auf die Telefonaktion der BA illegal Daten beschafften.
Auch die Arbeitslosen wollen sich mit ihrem gläsernen Dasein nicht abfinden: „Diese Befragung ist eine Zumutung“, sagt ein Arbeitsloser aus dem Münsteraner Arbeitslosentreff MALTA. Er selbst habe seine Telefonnummer beim Ausfüllen des ALG II-Antrags nicht angegeben: „Ich weiß jetzt, warum ich das gemacht habe“. Er wertet diese Umfrage als „eine der vielen Schikanen“ gegenüber Arbeitslosen. Auch Karl Sasserath, Leiter des Arbeitslosenzentrums in Mönchengladbach, kann nicht glauben, dass ein privates Callcenter sensible Daten über Arbeitslose erhält, ohne dass diese informiert werden. „Anscheinend gilt das informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht für Arbeitslose“, schimpft er. Dieses Recht sei aber unteilbar. „Das zeigt wieder einmal die Respektlosigkeit, mit der Arbeitssuchende behandelt werden“, so Sasserath.
Die Bundesarbeitsagentur wehrt sich gegen die Vorwürfe: Sie habe nicht die Absicht verfolgt, Arbeitslose auszuspionieren, so eine Sprecherin: „Die Umfrage dient der optimalen Betreuung der Arbeitslosen, damit sie wieder in Brot und Arbeit kommen.“ Die Stichprobe habe nicht dem Zweck gedient, den Anspruch der Betroffenen auf Arbeitslosengeld II zu prüfen. Weil die örtlichen Arbeitsgemeinschaften zwischen Städten und Arbeitsagenturen (ARGE) überlastet gewesen seien, wären wichtige Daten oft nicht aufgenommen worden. „Es ist wichtig zu wissen, ob jemand eine Kinderbetreuung benötigt, wenn er oder sie in Arbeit vermittelt werden soll. Doch nicht alle ARGE hätten der Zentrale ihre Daten zur Verfügung gestellt. Deshalb seien bundesweit auch nur 350.000 statt der ursprünglich geplanten 1,2 Millionen Arbeitslose befragt worden.