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Archiv-Artikel

Die Küste bebt

Mit flächendeckenden Sprengmessungen sucht die Firma Exxon in Ostfriesland nach Erdgas – auch im Nationalpark und mit dem Segen der Naturschützer. Die anliegende Gemeinde ist begeistert

von Thomas Schumacher

Im Comic hieße es jetzt: „KRAWUMM!!“ Bis Ende August werden im schönsten Ostfriesland, in der Krummhörn, ca. 30.000 Kilo Sprengstoff verballert – gleich hinter Emden an der Küste. Auf 165 Quadratkilometern will die Firma Exxon Mobil Production Deutschland für zehn Millionen Dollar mit Sprengmessungen nach Erdgas suchen. Mindestens ein Drittel der Untersuchungsfläche liegt im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, in bedeutenden Vogelschutz- oder anderen Schutzgebieten. Da müssten Naturschutzverbände eigentlich in die Luft gehen.

„Für uns ist das kein Problem“, sagt Matthias Bergmann vom Naturschutzbund NABU. Um die Verträglichkeitsstudie ihrer Arbeiten zu diskutieren, lud Exxon alle Verbände zu einem Gespräch. Keiner kam. Einen zweiten Termin nahmen wenigstens vier Einspruchberechtigte wahr.

Seit Mitte Juli wird von der Leybucht an der Küste die Krummhörn mit ca. 6.000 Löchern bis zu einer Tiefe von zwölf Metern landeinwärts perforiert. In jedes Loch kommen bis zu 500 Gramm Sprengstoff. Parallel zu den Schusslinien liegen Messlinien, bestückt mit Geophonen, kleinen Sensoren. „Man wird von den Sprengungen nicht viel hören, da fliegt auch nichts durch die Gegend. Es gibt oberflächlich nur leichte Erschütterungen“, erklärt der zuständige Seismograph Wolfgang Hansen.

Anhand der seismografischen Diagramme können Geologen ablesen, ob in einer Tiefe von bis zu sechs Kilometern mit Gasvorkommen zu rechnen ist. „Wir gehen natürlich davon aus, dass wir in etwa drei Kilometern Tiefe entsprechende Strukturen finden“, sagt Hansen von Exxon. Um dann tatsächlich Gas nachzuweisen, müssen Bohrungen vorgenommen werden. Das Risiko für Exxon ist gering, denn bislang wird schon an drei Stellen in der Krummhörn Gas abgezapft.

Die Gemeinde ist dementsprechend begeistert von Exxon. Die Gewerbesteuer erfrischt die Gemeindekasse, und immerhin leben und arbeiten 150 Exxon-Leute als Neuostfriesen für zwei Monate in der Region. Im Gegensatz zu den gigantischen Gasfeldern im benachbarten Groninger Land sind die Gasfelder in der Krummhörn nach heutigem Stand viel kleiner.

„Befürchtungen der Naturschützer, Ostfriesland könnte nach einer weiteren Gasförderung ebenso absacken wie das Groninger Land, sind unbegründet. Wir haben viel kleinere Förderfelder und eine andere Bodenstruktur“, erklärt Hansen. In den Niederlanden sackte das Land so tief ab, dass Deiche umgebaut und Landstriche unter Wasser gesetzt wurden.

Glück für Exxon: Deutsche Naturschützer hatten diese Befürchtung gar nicht geäußert. Nur der kleine Hannoveraner LBU und der Landesverband Niedersachen des Gebirgs- und Wandervereins haben sich zu Wort gemeldet. „Die Arbeiten finden in den Ruhezonen des Nationalparks statt und in besonders geschützten Vogelgebieten der Europäischen Union. Da hat keiner was verloren. Außerdem brauchen wir nicht mehr Energie. Energie sparen wäre besser“, schimpft Uilke van der Meer, der als Vertreter des Landesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) und der Wanderer Einspruch gegen die Messungen eingelegt hat.

„Die Arbeiten geschehen in öffentlichem Interesse. Natürlich finden die Messungen in sehr sensiblen Gebieten statt. Deswegen haben wir Exxon Auflagen gemacht“, sagt Klaus Meinen von der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven. In der Tat. Wohl kaum ein Unternehmen hat so scharfe Auflagen bekommen wie Exxon: Es darf nur zwischen dem Ende der Brutzeit und der Ankunft der Rastvögel zwischen Mitte Juli und Ende August gesprengt werden; in der Tidewende muss 200 Meter Abstand zum Wasser gehalten werden. Und für Schäden, die die sieben Bohrwagen anrichten sollten, müsste Exxon in der Leybucht Kompensationsmaßnahmen durchführen.

„Der Witz ist, da steht schon ein Gasförderturm“, sagt Hansen. „Wir haben hier nichts zu verbergen. Wir haben sogar zwei Ornithologen eingestellt, die unsere Arbeit überwachen und unsere Leute und Fahrzeuge einweisen.“ Ein gutes Image ist nach der Havarie der Exxon Valdez existenziell. Im März 1989 war der Öltanker im amerikanischen Prinz-William-Sund auf Grund gelaufen – eine Katastrophe, von der sich die Natur bis heute nicht erholt hat.