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Archiv-Artikel

Aus reiner Panik in den Tod gerannt

Acht Menschen starben bei einem Mietshausbrand in Berlin, weil sie nicht auf die Feuerwehr warteten

Für die Feuerwehr war es zunächst ein Brand wie viele in Berlin. Ausgehend von im Erdgeschoss abgestellten Kinderwagen hatte sich das Feuer im Treppenflur des fünfstöckigen Mietshauses ausgebreitet. Die Bergung der Bewohner ist für die Feuerwehr in so einem Fall eigentlich kein Problem: „Die Leute hätten in ihren Wohnungen warten und die Nerven behalten müssen“, sagte der Berliner Feuerwehrchef Albrecht Broemme, als er gestern den Hergang eines der schlimmsten Wohnungsbrände in der Berliner Nachkriegszeit rekonstruierte.

Bei dem Brand im Stadtteil Moabit haben in der Nacht zu Dienstag zwei Migrantenfamilien acht Angehörige verloren, drei Erwachsene und fünf Kinder. Die Feuerwehr war eigenen Angaben zufolge 6 Minuten nach Anruf vor Ort, die Löscharbeiten dauerten 20 Minuten. „Es hat zweifellos Sprachprobleme gegeben“, nannte Broemme als Ursache für die hohe Zahl der Todesopfer.

Die Leichen waren noch nicht identifiziert, da meldete sich die örtliche CDU schon mit der Forderung zu Wort, mehr Druck auf Ausländer auszuüben, die deutsche Sprache zu erlernen. „Das Unglück ist der deutliche Hinweis darauf, dass den Tendenzen zur Ghettoisierung im Großen wie im Kleinen entgegengewirkt werden muss“, so der CDU-Bundestagskandidat Volker Liepelt. Ob das tragische Geschehen wirklich mit besseren Deutschkenntnissen hätte verhindert werden können, ist fraglich. Menschen in Paniksituationen reagieren sehr unterschiedlich, zumal dann, wenn sie Bürgerkriegsflüchtlinge sind. In dem betroffenen Haus wohnen neben gebürtigen Griechen, Rumänen und Arabern auch Kosovo-Albaner. Die Nationalität der Todesopfer wurde gestern noch nicht offiziell bekannt gegeben.

Statt die Megafon-Durchsagen der Feuerwehr zu befolgen und in den Wohnungen oder auf dem Balkon auszuharren, hatten die Betroffenen versucht, sich durch das Treppenhaus in Sicherheit zu bringen. „Man hat keine Chance, durch ein brennendes Treppenhaus die Freiheit zu erreichen“, so Feuerwehrchef Broemme. Drei Atemzüge giftige Rauchgase bei Temperaturen von 600 bis 800 Grad „reichen aus, um den sicheren Tod hervorzurufen“. Als Ursache des Feuers wird vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung vermutet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Vieles sei denkbar, sagte Polizeivizepräsident Gerd Neubeck. „Auch dass jemand eine Zigarettenkippe in einen der Kinderwagen geworfen hat.“

15 Menschen wurden bei dem Brand schwer verletzt, zwei schwebten noch in Lebensgefahr. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und der evangelische Bischof Wolfgang Huber besuchten gestern den Ort des Geschehens. Im Hinterhof des Hauses hielt Huber eine kleine Andacht ab. Später erschien auch ein Imam. Vorwürfe von Anwohnern, die Einsatzkräfte hätten nicht schnell genug agiert, entschuldigte der Feuerwehrchef mit den Worten: „Fünf Minuten Warten kommen einem in so einer Situation endlos vor.“

PLUTONIA PLARRE