: Panoramen der Arbeit
VORBILDER „Migration und Integration“ heißt eine Ausstellung, mit der die Stadt Salzgitter ihr 70-jähriges Bestehen feiert
Ein asiatischer Mann steht in einem Durchgang zwischen Regalen in einem Labor. Er schaut direkt in die Kamera auf dem Panoramafoto, das seinen Arbeitsplatz zeigt. Sein Name ist Changsheng Liu, 2009 kam er aus China nach Deutschland. Er ist Doktorand der Zellbiologie an der Technischen Universität Braunschweig und erforscht Mechanismen von Krankheiten am Modell von Fischen.
Sein Porträt gehört zu der Ausstellung „Migration-Integration“, die in Berlin in der Vertretung des Bundeslandes Niedersachsen gezeigt wird. Unter Changsheng Liu sieht man ein Foto von seiner Familie. Liu hockt auf dem Boden, seine Frau sitzt neben ihm und hat die Tochter im Arm. Sie lächeln in die Kamera. Neben seine Frau ist ein Spielzelt, Lius große Tochter sitzt darin und spielt. Im Fernsehen laufen Nachrichten von CCTV-4, dem chinesischen Staatsfernsehen. An die Wand hängen bunte Lernplakate mit chinesischen Buchstaben.
„Migration-Integration“ ist ein dokumentarisches Projekt des Fotografen Uwe Brodmann. Die Porträtierten sind jeweils einmal in ihrem Arbeitsalltag und einmal in ihrem privaten Umfeld zu sehen. Lebensläufe und Statements ergänzen die Bilder. Anlass der Ausstellung ist das 70. Jubiläum der Stadt Salzgitter: Stolz präsentierte die gelungene Integration und den Erfolg ihrer Migranten. In der Region Salzgitter-Braunschweig-Wolfsburg leben mehr als 140 Nationen.
Erstaunlich ist die Ähnlichkeit der Fotografien aus dem privaten Umfeld der Familien. Wie Familie Vergelyte und Salomon-Christ oder Familie Ostojski und Pravtchev. Die meisten sitzen auf der Couch, vor dem Fernseher oder am Esstisch. Sie gucken in die Kamera, mit einem Blick ohne jedwede Aussage. Man erhält kaum einen Eindruck von der Persönlichkeit der Menschen. Will Uwe Brodmann damit sagen, sich so zu präsentieren, ist das Ergebnis der Integration?
Integrieren heiße nicht assimilieren, und das haben Deutsche und Türken nicht richtig verstanden. Das ist die Meinung von Ali Aydin Erols. Er fühlt sich, das kann man in seinem Statement lesen, nicht gut integriert. Ihm gefällt an Deutschland die Ordnung und der Respekt vor anderen Menschen.
Weniger mag er die oftmals festgelegten und strukturierten Regeln. Ihm kommt man dadurch in den Bildern relativ nahe. Er sitzt an einem Schreibtisch mit vielen Bildschirmen. Als Rangiermeister arbeitet er im Stahlwerk der Salzgitter AG. Er ist für das Disponieren von Zügen zuständig. Wenn er arbeitet, ist er ordentlich angezogen, hat die Brille auf und guckt ernst. Zu Hause mit seiner Frau und Kind ist er lockerer. Er guckt friedlich, ohne Brille und hat einen Ohrring.
Die Menschen auf den Fotos sind alle Vorbilder der Migration. Obdachlose werden hier nicht gezeigt, und ohne Arbeitsplatz kommt hier auch niemand rein. Die Frage ist, was für ein Bild von Integration will diese Ausstellung vermitteln? Wer soll integriert werden?
Tom Luong Van etwa wurde 1987 in Leipzig geboren und wuchs in Salzgitter auf. Sein Vater kam bereits 1978 nach Deutschland. Er arbeitet bei der Salzgitter AG in der Anlagen- und Montagetechnik. „Im Vergleich zu den Deutschen sind Vietnamesen viel gastfreundlicher und großzügiger. Bereits in der Schule, aber auch heute noch, verspüre ich gelegentlich Rassismus und Ablehnung“, sagt er.
Elisa Memic ist Lehrerin. Sie steht in der Mensa ihrer Schule. Hinter ihr gehen viele Menschen vorbei. Sie ist 1980 in Salzgitter geboren und aufgewachsen. Ihr Vater kam 1970 als Gastarbeiter aus dem damaligen Jugoslawien, heute Bosnien, nach Deutschland. Sie sagt, „das Thema Integration wird immer wieder diskutiert. Integration bedeutet für mich, dass man nicht dauernd darüber reden muss. Dann funktioniert Integration von allein.“ Sollte man mal drüber nachdenken. FAN ZHAO-JACOBS
■ Bis 6. September in der Landesvertretung Niedersachsen, täglich 10–18 Uhr