Über den Gittern

Anatomie eines Schwerverbrechers: Der Fall Bogner beschäftigt von morgen an das Lübecker Landgericht

Schwerverbrecher, ohne dieses Wort geht gar nichts im Fall Bogner. „Prozess gegen Schwerverbrecher Bogner in Lübeck“, titelte gestern die Nachrichtenagentur dpa. Und selbst die FAZ schrieb nach der Festnahme im vergangenen November, nachdem sie seine bewiesenen und unbewiesenen Verbrechen aufgezählt hatte: „Bogner gilt als Schwerkrimineller.“

Wann ist ein Krimineller ein Schwerkrimineller? Zwei Morde werden Bogner vorgeworfen, einer konnte mangels Leiche nicht bewiesen werden. Bogner hat mehrere Banküberfälle verübt, er ist vorbestraft wegen Diebstahls, Betrugs, schweren Raubs, Geiselnahme und Gefangenenmeuterei. 28 seiner 49 Jahre hat er im Gefängnis gesessen. Wie oft er ausgebrochen ist, scheint nicht ganz klar, die Zahl der Ausbrüche schwankt zwischen sieben und 14.

Das Ausbrechen selbst steht nicht unter Strafe, im Gegenteil, dem Ausbrecherkönig wird klammheimliche Bewunderung zuteil. So wird bei dem Prozess gegen Bogner dessen Unberechenbarkeit betont: Zu den „strengen Sicherheitsvorkehrungen“, schreibt die Nachrichtenagentur AP, gehöre, dass das Gericht dazu „keine näheren Angaben“ mache. Die Gefahr, die von dem Schwerverbrecher ausgeht, ist um so größer, als dass er „als hochintelligent bezeichnet wird“ (FAZ). Er besitze die Eigenschaft, berichtet dpa, „durch Wortgewandtheit, Freundlichkeit und angepasstes Verhalten selbst Justizbeamte und Psychologen für sich einzunehmen“.

Während der gewöhnliche Kriminelle dem Gesetz, das er übertreten hat, im Prozess unterworfen wird, pervertiert der Schwerverbrecher diese Ordnung. Er instrumentalisiert das staatliche Personal, dass für seine Verwahrung zuständig ist, und verhöhnt damit das Gewaltmonopol.

Dazu passt, das Bogner einmal sogar aus dem Gerichtssaal ausgebrochen ist, dem Ort, an dem das Recht wieder ins Gleichgewicht kommt. Seltsamerweise sind beide Morde, die ihm vorgeworfen werden, nicht nur Tötungen, sondern Identitätsdelikte. Bogner nahm in beiden Fällen die Identität der Ermordeten an, er vertauschte die Position von Täter und Opfer. Solche Taten sind mehr als ein Verbrechen. Sie sind ein Bruch. Darauf beruht ihre Faszination. wie