piwik no script img

Archiv-Artikel

Kultur als Joker

Neue Pläne für die Kultur (1): Ist die Forderung nach einem Kulturministerium im Wahlkampf nur ein Ablenkungsmanöver? Oder doch ein ernsthafter Versuch, Kultur nicht nur symbolisch zu verteidigen?

Die Kulturpolitik des Bundes ist noch kein Trümmerfeld, sondern eine recht junge Geschichte von Neugründungen

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Sind plötzlich wirklich alle dafür? Ein Kulturministerium müsse her, ein Weiterbau und eine politische Stärkung des vor sieben Jahren von der rot-grünen Regierung geschaffenen Amtes des Staatsministers für Kultur und Medien, hört man von verschiedenen Seiten. Es wird schon kolportiert, dass alle Parteien bis auf die Linkspartei sich dies ursprüngliche Projekt von SPD und Grünen zu Eigen gemacht haben, ganz besonders die FDP. Auf Nachfrage (siehe Bericht) allerdings sieht es zumindest bei der CDU noch so aus, als wäre ein Prozess interner Klärung über die Gewichtung dieser Frage gerade erst angelaufen. Auch die Parteiprogramme verraten wenig mehr. Testphase 1: Mal sehen, was in Kultur als Wahlkampfthema so drinsteckt.

Für die Attraktivität des Themas spricht sicher, dass die Kultur als Feld der Politik noch eine wenig beschriebene Fläche ist. Im Moment ist ein großes Problem der Parteien ihre Glaubwürdigkeit bei der Ankündigung ihrer Vorhaben, es in Zukunft anders und besser zu machen. Die Reform des Arbeitsmarktes, die Vereinfachung der Steuergesetze, ein Weg zu sozialer Gerechtigkeit: Man nimmt es der SPD und den Grünen so wenig ab, da einen neuen Kurs gehen zu wollen, wie man es von FDP und CDU erwartet. Auf all diesen Feldern hat ihre Politik in der Vergangenheit so viele gegenteilige Spuren hinterlassen, dass einem selbst das Gefühl für eine Unterscheidung der großen Blöcke abhanden gekommen ist.

Kultur als Thema scheint dagegen von weitem gesehen erst mal frei von diesen Spuren vergangener Fehler. Die Kulturpolitik des Bundes ist noch kein Trümmerfeld, sondern eine recht junge Geschichte von Neugründungen. Dazu gehören Förderinstrumente wie die Kulturstiftung des Bundes und der Hauptstadtkulturvertrag, Gesetzesinitiativen wie die Reform des Stiftungsrechtes und vor allem die Schaffung des neuen Amtes selbst. Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin und Christina Weiss haben ganz sicher das symbolische und repräsentative Kapital der Kultur vermehrt. Die SPD hat es vorgemacht und gezeigt, wie man in diesem Gebiet punktet. Der Kanzler, Gerhard Schröder selbst, hat sich alle Mühe gegeben, durch Einladungen zu literarischen Soireen in seinem Kanzleramt, das alte Vorurteil zu widerlegen, das Milieu der Sozialdemokraten sei nicht so kulturaffin wie das der Konservativen. Diese Einschätzung hält sich aber, auch wenn in der CDU eigentlich nur wenige Politiker, wie die Berliner Spitzenkandidatin Monika Grütters, dafür nicht nur mit Worten, sondern auch mit ihrer professionellen Biografie einstehen.

„Kultur ist Ländersache“ und „Kultur ist eine freiwillige Aufgabe“: In diesen beiden bisher geltenden Prämissen liegt der Hund begraben, der jeder wie auch immer gearteten Utopie eines Kulturministeriums des Bundes an den Hals springen wird. Denn immer würden sich daran Hoffnungen knüpfen, dass eine solche Institution Einhalt gebieten kann, wo immer Länder und Kommunen aus Geldmangel Bibliotheken schließen, Ankaufsetats von Museen streichen, Theater und Opernhäuser um eine Sparte verkleinern. Solchen Abbau, sowohl von Basisangeboten wie Musikunterricht für Kinder als auch Etatkürzungen großer Häuser, die damit arbeitsunfähig werden, hat die bisherige Konstruktion eines rot-grünen Kulturstaatsministeriums auch in rot-grünen Städten und Ländern (siehe Freiburg oder Schleswig-Holstein) oft nicht aufhalten können. Und nur mit Mühe gelang es, für einige Bundesinstitutionen, wie die Stiftung der Staatlichen Museen in Berlin, die finanzielle Beteiligung aller Länder zu erhalten. Ein Bundeskulturministerium kann sich auf jeden Fall darauf gefasst machen, eine Föderalismusdebatte von bisher unbekanntem Ausmaß durchstehen zu müssen. Denn je größer die Defizite in den Haushalten werden, desto mehr werden die Länder die Musik, die sie bezahlen, vor Ort spielen wollen. Es wäre sicher interessant zu erfahren, ob Angela Merkel über dieses Thema schon jemals mit ihrem Kollegen und Lieblingsfeind Edmund Stoiber geredet hat.

Eine neue Sprachregelung steht ins Haus. Zum Konzept der Fürsprecher eines Kulturministeriums gehört es, „Kultur als Staatsziel“ zu definieren. Das klingt, als wollte man Formulierungen wie „Kultur ist jetzt nicht mehr Ländersache“ oder „Kultur wird jetzt Pflichtaufgabe“ diplomatisch umschiffen. Und sich vielleicht auch offen halten, dass alles bleiben wird, wie es ist, nur dass man sich des Ernstes der Lage jetzt viel bewusster ist.

Möglich ist aber auch noch ein weiteres Szenario, das die Erwartungen an ein Bundeskulturministerium schwanken lässt: Möglicherweise nutzen die Länder eine Bundeszuständigkeit, bei klammen Haushaltslagen aus der Verantwortung für die Kultur zu steigen. Man muss bloß daran zurückdenken, wie erleichtert die Stadt Berlin ist, Institutionen wie das Haus der Kulturen der Welt, die Staatlichen Museen, die Akademie der Künste und einen Teil der Gedenkstätten beim Bund gut aufgehoben zu sehen.

Eine weitere potenzielle Konfliktlinie bildet der Anspruch, die auswärtige Kulturpolitik und die Goethe-Institute aus dem Auswärtigen Amt herauszulösen und einem Bundeskulturministerium zuzuordnen. Das schlagen bisher sowohl SPD und Grüne als auch die FDP und bei der CDU zumindest Monika Grütters vor. Sinnvoll scheint das zum Beispiel vor dem Hintergrund, dass Christina Weiss und das Auswärtige Amt sich bisher in einigen Fragen unproduktive Konkurrenz machten, wie zum Beispiel Verhandlungen um die Rückgabe der Beutekunst. Auch Sonderprogramme, wie das Deutsch-Polnische Jahr, das die Staatsoberhäupter miteinander verabredet haben, lägen bei einem Kulturministerium vielleicht in engagierten Händen. Ob der Etat der Goethe-Institute, die in den letzten Jahren große Einbußen hinnehmen mussten, damit allerdings besser gesichert wäre, ist fraglich. Und nicht zuletzt kann man mutmaßen, ob nicht ihre relative Autonomie, die der Initiative der Leiter viel überließ, in einem Bundeskulturministerium erst mal mehr beschnitten würde.