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Archiv-Artikel

Äthiopiens Wahlstreit aus, aber nicht vorbei

Regierung bleibt an der Macht, bestätigt Äthiopiens Wahlkommission drei Monate nach den Wahlen. Opposition sauer

BERLIN taz ■ Fast drei Monate hat es gedauert, aber nun ist es offiziell: Äthiopiens Regierungspartei hat die Parlamentswahlen vom 15. Mai mit absoluter Mehrheit gewonnen. Dies ist politisch brisant, denn nach den Wahlen hatten Regierung und Opposition jeweils den Sieg reklamiert, und im Juni war es zu blutigen Unruhen in der Hauptstadt Addis Abeba gekommen. In Reaktion auf das Wahlergebnis verlangte gestern die Afrikanische Union (AU), die ihren Sitz in Addis Abeba hat, dass „alle politischen Parteien im nationalen Interesse zusammenarbeiten und jedes Problem mit rechtsstaatlichen Verfahren und anerkannten Mechanismen angehen, einschließlich des Dialogs“.

Äthiopiens regierende EPRDF (Revolutionäre demokratische Front des äthiopischen Volkes) unter Premierminister Meles Zenawi, die 1991 als Koalition bewaffneter Rebellenbewegungen die kommunistische Militärdiktatur gestürzt hatte und Äthiopien seitdem autokratisch regiert, erhält 296 der 492 ausgezählten Sitze. Das Oppositionsbündnis CUD (Koalition für Einheit und Demokratie) kommt auf 109 Sitze, das konkurrierende Oppositionsbündnis ZEDF (Vereinigte äthiopische demokratische Kräfte) auf 52. Die anderen Sitze gehen an Regionalparteien, zumeist Alliierte der EPRDF.

In 31 Wahlkreisen wird die Wahl am 21. August aufgrund von Unregelmäßigkeiten wiederholt. In den 23 Wahlkreisen der ostäthiopischen Somali-Region an der Grenze zu Somalia finden die Wahlen auch erst an diesem Tag statt, gab die Wahlkommission Dienstag bekannt.

Diese Zahlen seien Ergebnis eines „langen und transparenten“ Überprüfungsprozesses, erklärte die Wahlkommission und erinnerte die politischen Parteien daran, dass sie sich zum Höhepunkt der Unruhen im Juni gemeinsam auf diesen Prozess geeinigt hatten. Damals waren in nicht weniger als 299 Wahlkreisen Klagen über Unregelmäßigkeiten eingegangen, 156 davon seitens der Opposition. Die meinte, sie habe eine Mehrheit im Parlament gewonnen.

Dass die Opposition einen Durchbruch erzielt hatte, war schon kurz nach der Wahl unstrittig. Vorher hielt die EPRDF fast alle Parlamentssitze. Aber im Mai gewann das Oppositionsbündnis CUD sämtliche Wahlkreise der vier Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt – ein Triumph ohne Beispiel in der äthiopischen Geschichte, in der es noch nie halbwegs freie Wahlen oder friedlichen politischen Wettbewerb gegeben hatte.

Doch die Brutalität, mit der die Sicherheitskräfte in Addis Abeba wenige Wochen später Demonstrationen niederschlugen, bestärkten Oppositionelle im Verdacht, dass die Regierung von Meles Zenawi die Einschränkung ihrer bislang totalen Kontrolle nicht kampflos hinnehmen würde. 39 Menschen wurden getötet und 3.000 festgenommen – hunderte davon werden noch vermisst. Als Reaktion fror Großbritannien umgerechnet 30 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Äthiopien ein.

Die langwierige Überprüfung der umstrittenen Wahlergebnisse führte jedoch zu einer politischen Annäherung zwischen EPRDF und CUD, die nach Vermittlung durch die EU-Vertretung in Äthiopien Ende Juli erstmals direkte Gespräche miteinander aufnahmen. Die Oppositionsforderung nach Neuwahlen in allen umstrittenen Wahlkreisen lehnte die Regierung zwar ab, aber sie gewährte der Opposition Zugang zu den Staatsmedien und erhielt im Gegenzug die Zusage, dass die Oppositionsparteien das Parlament nicht boykottieren. Eine Regierung der nationalen Einheit, von manchen Beobachtern gefordert, lehnten sowohl EPRDF als auch CUD ab .

Doch die Opposition gibt auch jetzt nicht auf. Sie will das endgültige Wahlergebnis vor Gericht anfechten. DOMINIC JOHNSON