Sarah Wiener Die Zutat
: Kresse halten
und genießen

Foto: Sarah Wiener GmbH

Noch gut erinnere ich mich an ferne Ferienerlebnisse bei Freunden, irgendwo in der Wildnis Österreichs, als ich noch nicht mal ein Teenager war und mit anderen Kindern in klar fließenden Bachläufen spielte. An deren Rändern wucherten Unmengen kleinblättriger Pflanzen, und schnell lernte ich, dass dieses dunkelgrüne Polster essbar und sehr schmackhaft ist.

So angetan war ich, etwas derart Köstliches in der freien Natur zu finden, dass ich am nächsten Tag einen ganzen Eimer pflückte und mithalf, einen Riesensalat zu machen. Mit hartgekochten Eiern, Öl, Essig und Unmengen gewaschener Brunnenkresse, wie die Pflanze hieß. Meine Salatgier bescherte mir anschließend auch, wofür Kresse im Allgemeinen bekannt ist: eine ausgesprochen gute Verdauung, um es mal so zu sagen. Ich hatte mich an dem pikant-pfeffrigen Kraut fast überfressen.

Seit- und trotzdem sind die vielen ungezählten Kressearten meine Freunde geblieben. Zwar ist die Kapuzinerkresse als eigenständige Gattung nur ein mittelweit entfernter Verwandter der Kressen – dafür findet man sie viel leichter in einem Supermarkt der Großstadt als Bach- oder Brunnenkresse. Und, noch besser, man kann sie sehr einfach auf jedem Balkon oder im eigenen Garten selber anbauen. Ernten kann man Kapuzinerkresse bis zum ersten Frost. Dann ist leider Sense mit dem pfeffrigen Sonderkraut, das sogar antibiotische Wirkung entfaltet, gut gegen Grippe ist, bei Erkältungen helfen kann und bei Harnwegserkrankungen wahre Wunder wirkt.

Auch ist die Kapuzinerkresse eine Schönheit: ihre runden Blätter und erst recht die knallig gelb-orange-roten, trichterförmigen Blüten, die von der Seite an eine Kapuzinertracht erinnern – daher der Name. In Südamerika gibt es eine Art, die Knollen unter der Erde ausbildet und in der Küche sehr geschätzt wird. Wir in Europa halten es simpel: pflücken und essen. Am besten direkt aus dem Garten. Eine Handvoll zerzupfter Blätter über ein (Safran-)Risotto ist etwas, was ich Feinschmeckern empfehle. Ansonsten verfeinere ich mit Blättern und Blüten Bratkartoffeln, Bulgur und Hirse.

Die Knospen können auch ein Kapernersatz sein. Dazu lege ich sie in salziges kochendes Essigwasser ein – schon habe ich eine spannende Vitamin-C-Quelle für kalte Wintertage. Oder man füllt einen guten Wein oder Apfel­essig mit den Blüten und Blättern und hat nach einigen Wochen – täglich schütteln! – seinen eigenen Kresseessig fabriziert.

Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblings­zutaten vor. Heute: Kapuzinerkresse.

Und wer Geduld und spitze Finger hat, füllt die Blüten mit gewürztem Ricotta oder frischem Ziegenkäse und beträufelt alles mit ein wenig Kürbiskernöl. Guten Appetit!