: Eigentümliche Zuneigung
Den künftigen deutschen Außenminister wird wohl die FDP, die Partei Möllemanns und Kinkels, stellen. Mit Blick auf den größten weltpolitischen Krisenherd, die iranische Atomrüstung, wirkt das keineswegs beruhigend. Angesichts der erwartbaren Debatten ist es unerlässlich, sich die eigentümliche Zuneigung Deutschlands zum Iran zu vergegenwärtigen. Das macht die neue Studie von Matthias Küntzel, die dieser Beziehung in den letzten 100 Jahren nachgeht.
Küntzel zeigt, wie sich das Kaiserreich an der Modernisierung Persiens beteiligte, wie wichtig Iran nach dem Ersten Weltkrieg für die deutsche Exportindustrie wurde und wie gut die Beziehungen des NS-Regimes zu Iran waren. Einige Mullahs hielten Hitler gar für den 12. Imam. Die brisanteste Erkenntnis mit der Küntzel aufwartet, ist sein Nachweis, dass der Putsch gegen Premier Mossadegh 1953 nicht nur von Briten und CIA zu verantworten ist, sondern auch von der schiitischen Geistlichkeit, die Mossadegh noch mehr hasste als die monarchistische Restauration und deswegen stillhielt.
Küntzels Deutungen hinterlassen Fragen: War es nur das Deutsche Reich, das den theologischen Gedanken des Dschihad politisch instrumentalisierte und damit den modernen Islamismus auf den Weg brachte? Ist es erstaunlich, dass sich Teile der Eliten in halb kolonialen Ländern wie dem von der Sowjetunion und Großbritannien besetzten Iran an deren Hauptfeind Nazideutschland hielten? Für noch mehr Streit dürfte die Bemühung sorgen, nachzuweisen, dass Joschka Fischer entgegen seiner stets beteuerten Solidarität mit Israel der deutschen Exportwirtschaft und somit der iranischen nuklearen Aufrüstung erheblich geholfen habe. Von Kinkel über Fischer zu Westerwelle: Man wird den künftigen Außenminister daraufhin beobachten müssen, ob er in die Spur dieser Tradition tritt.
MICHA BRUMLIK
■ Matthias Küntzel: „Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Beziehung“. wjs, Berlin 2009, 320 Seiten, 22 Euro