: Sarrazin abgewatscht
BUNDESBANK Vorstand Thilo Sarrazin werden wegen seiner Äußerungen zu türkischen und arabischen Einwanderern einige Kompetenzen entzogen. Aber er bleibt im Amt
VON RICHARD ROTHER
Der umstrittene Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin (SPD) ist teilweise entmachtet worden. Er verliert ab sofort einen seiner drei Zuständigkeitsbereiche, teilte die Bundesbank am Dienstag mit.
Die Behörde reagiert damit auf ein Interview, in dem Sarrazin unter anderem dem überwiegenden Teil der türkischen und arabischen Bevölkerung Berlins vorgeworfen hatte, „weder integrationswillig noch integrationsfähig“ zu sein.
Dies war bundesweit auf große Empörung gestoßen; der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening warf Sarrazin „rassistische Äußerungen“ vor, ähnlich äußerten sich Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde und Stefan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung.
Die Bundesbank selbst kann ihre Vorstände nicht entlassen; dies kann – in besonderen Fällen – nur der Bundespräsident. Der ehemalige Berliner Finanzsenator Sarrazin war auf Vorschlag der Länder Berlin und Brandenburg im Mai in die Bundesbank entsandt worden.
Als Sarrazin nach Frankfurt ging, war damals unter Berliner SPD-Genossen durchaus Erleichterung zu spüren. Denn in seiner siebenjährigen Amtszeit als Berliner Finanzsenator hatte Sarrazin nicht nur einen beispiellosen Sparkurs zur Sanierung des überschuldeten Landes durchgesetzt, sondern auch immer wieder mit provokanten Äußerungen – meist über Schwächere in der Gesellschaft – von sich reden gemacht (siehe unten). Auf einem Parteitag der Berliner SPD waren nun am Wochenende Forderungen laut geworden, Sarrazin wegen seiner Aussagen im Interview aus der Partei auszuschließen.
Auch am Dienstag ging die Debatte um Sarrazin weiter. Während der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, im Fernsehsender N24 Sarrazins Äußerungen als „rassistisch“ bezeichnete und dessen Entlassung forderte, verteidigte der deutsch-jüdische Schriftsteller Ralph Giordano ihn. Sarrazin liege in der Sache richtig, habe sich aber im Ton vergriffen, sagte der Publizist am Dienstag dem Sender MDR Info. „Sarrazin beschreibt die Wirklichkeit darin so, wie sie ist, und nicht wie seit vielen Jahren von der politischen Korrektheit dargestellt“, sagte Giordano. Der Bundesbanker habe vollkommen recht mit dem Kernsatz: „Der Sozialstaat wird nicht fertig mit Problemen, die er selbst geschaffen hat.“
Die Bundesbank selbst hat aber nicht nur Probleme mit ihrem Spitzenpersonal, auch in der Belegschaft rumort es. Aus Protest gegen die geplante Schließung von 23 Filialen gingen am Dienstag rund 1.500 Mitarbeiter der Bundesbank auf die Straße. Schützenhilfe bekamen sie von der deutschen Kreditwirtschaft. „Banken und Sparkassen befürchten negative Folgen für alle Marktteilnehmer durch den zunehmenden Rückzug der Bundesbank aus der Bargeldversorgung der Wirtschaft“, erklärte der Zentrale Kreditausschuss. Die bisherigen Schließungen von 200 auf 47 Filialen hätten zu „unzumutbaren Zuständen in der Abwicklung“ geführt, die noch nicht behoben worden seien, teilte Ausschuss mit. Die Demonstranten richteten ihre Proteste auch gegen Sarrazin: Allein die Nennung seines Namens sorgte für Pfeifkonzerte. (mit ap)