: Der Aufstand der Laubenpieper
Kleingartenbund erwartet morgen Tausende Gartenfreunde zur Demonstration gegen angedrohte Verlagerung von fast 3.000 Parzellen. Schreber-Lobby wirft Senat Lügen und Tricksereien vor. Kündigungswelle aber nicht vor der Bundestagswahl
Von Marco Carini
Schrebergärtner aller Parzellen vereinigt euch! Gegen die drohende Zwangsräumung von fast 3.000 Kleingärten werden morgen voraussichtlich mehrere Tausend Parzellennutzer auf die Straße gehen. Begleitet wird der vom Landesbund der Gartenfreunde initiierte Aufmarsch von scharfen Tönen gegen Bürgermeister von Beust und Umweltstaatsrätin Herlind Gundelach (beide CDU).
„Frau Gundelach sagt nachweislich nicht die Wahrheit“, klagt Wolf-Gerhard Wehnert. Damit spielt der Geschäftsführer des 40.000 Mitglieder zählenden Landesbundes auf eine zwei Wochen alte Aussage der Staatsrätin an, „konkrete Pläne, Kleingärtner zu vertreiben“ gäbe es nicht. Der taz liegt hingegen eine geheime Senatsdrucksache vom Juni 2005 vor, welche kurz- und mittelfristige „Überplanungen von Kleingärten im Rahmen der ‚Wachsenden Stadt‘“ detailliert auflistet. Danach sind mehr als 2.900 Schrebergärten bedroht.
Die unter Verschluss gehaltene Senatsliste dokumentiert exakt, wie viele Parzellen in welchen Kleingartenvereinen in welchem Zeitraum verschwinden könnten. Eine Auflistung, die es nach Gundelachs Beteuerungen gar nicht geben dürfte.
Doch damit nicht genug der senatsinternen Widersprüche. Während das Geheimpapier die Überplanung von knapp 3.000 der 34.500 Hamburger Parzellen beschreibt, legte der Senat im Juli nur 1.000 Ersatzflächen für vertriebene Kleingärtner fest. Da die Stadt für 90 Prozent aller geräumten Parzellen Ausgleich anbieten muss, kann die Gleichung nicht aufgehen. Die meist am Stadtrand platzierten Ausweichstandorte bleiben zudem auf Veranlassung von Gundelach geheim. Laut Behörde hofft die Staatsrätin so, jede Verunsicherung der heutigen Flächennutzer zu vermeiden.
Während Gundelach aber immerhin bestätigt, das für die „Wachsende Stadt“ zentrumsnahe Kleingartenflächen in Gewerbe- und Wohngebiete umgewandelt werden sollen, verkündet ihr Chef, Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (ebenfalls CDU), das Gegenteil. Die Grünflächen müssten nicht angetastet werden, da es noch genügend brachliegende Hamburger Flächen gebe, die für Neubauprojekte nutzbar seien.
Kein Wunder also, dass bei einem derart vielstimmigen Senatschor Landesbund-Geschäftsführer Wehnert von „Tricksereien“ spricht, die die Kleingärtner verunsichern würden. Er fordert ein klärendes Wort vom Bürgermeister. Da zudem Kleingärten, die bis Ende 2006 geräumt werden sollen, bis November 2005 von der Stadt gekündigt werden müssen, befürchtet Wehnert ab Oktober eine Kündigungswelle. Denn vor der Bundestagswahl, so viel scheint klar, wird die CDU-Regierung die Kleingärtner nicht mit angekündigten Vertreibungen zum Denkzettel-Wahlentscheid treiben wollen.
„Wir lassen uns nicht aus unseren angestammten Kleingärten vertreiben“, gibt sich der langjährige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Landesbund-Vorsitzende Ingo Kleist kämpferisch. „Wir fordern den Senat auf, eine Bestandsgarantie für alle Parzellen auszusprechen“, ergänzt Wehnert.
Die GAL, die sich an dem Protest beteiligen wird, befürchtet: „Eine Verdrängung der Kleingärten an den Stadtrand wird dazu führen, dass die Familien lieber gleich in den Speckgürtel abwandern.“ Deshalb sei die Senatspolitik, so GAL-Umweltexperte Christan Maaß, „großer Quatsch mit kleinen Gärten“.
Der morgige Protestzug formiert sich um 12 Uhr (Hachmannplatz) und führt zum Gerhart-Hauptmann-Platz