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Archiv-Artikel

Alle Jahre wieder rosa

Hippen empfiehlt: Das 16. Queerfilm Festival läuft noch bis Sonntag im Kino 46 und zeigt 11 internationale Langfilme

Im Programm des diesjährigen Bremer Queerfilm Festivals ist Schluss mit den ewigen „Coming Out“ Geschichten

Von Wilfried Hippen

Das schwul-lesbische Kino kann man zwar kaum als ein Genre bezeichnen, aber dennoch gibt es Erzählmuster, die bei ihm oft wiederkehren. So ist immer wieder das „Coming-Out“ sehr beliebt und ebenso gerne werden die Schwierigkeiten beschrieben, unter denen Homosexuelle in repressiven Gesellschaften zu leiden haben. Das ist nicht weiter überraschend, denn dies sind die Geschichten, die schwule und lesbische FilmemacherInnen unbedingt erzählen wollen, weil sie ihre Lebensumstände spiegeln. Aber eine gewisse dramaturgische Monotonie schlich sich über die Jahre doch ein. Doch nach dem Programm des diesjährigen Queer Film Festivals zu urteilen ändert sich auch hier etwas.

Die französische Komödie „Comme Les Autres“ (Fr. 20.30) lässt etwa beide Themenkomplexe als erledigt hinter sich. Die Schwulen und Lesben in diesem Film leben ganz selbstverständlich als Paare im französischen Bürgertum. Sie haben angesehene Berufe wie Rechtsanwalt, Buchlektorin oder Mediziner, und den ganzen Film über werden sie mit keinem Wort und keiner Geste diskriminiert. Im Grunde wird da eine Idylle gezeichnet, bei der die Probleme des Protagonisten davon zeugen, wie gut es ihm im Grunde geht. Manu ist nicht umsonst Kinderarzt geworden. Er liebt Kinder und will unbedingt Vater werden, aber ein schwules Paar bekommt selbst im liberalen Paris keine Genehmigung zur Adoption. Also muss Manu tricksen, und schließlich findet er sich in einer Scheinehe mit einer Leihmutter wieder, was natürlich zu vielen amüsanten Verwicklungen führt. In Frankreich war der Film ein Publikumserfolg, denn er funktioniert als eine mit Eleganz inszenierte Farce, bei der immer die guten Sitten gewahrt bleiben und viel guter Wein getrunken wird. So kann man sich über seine filmischen Qualitäten streiten, aber dass jetzt auch solche Geschichten erzählt werden, zeugt davon, dass das schwul lesbische Kino längst die Nische verlassen hat, in der es sich jahrzehntelang wähnte.

Aber es gibt natürlich auch noch die Filme, die im Prospekt mit Sätzen wie „und Margaret erliegt immer stärker dem Zauber der verführerischen Selina“ beschrieben werden. Dies wird bei der britischen Verfilmung des Romans von Sarah Waters „Affinity“ (Fr. 22.30) versprochen, der im England des 19. Jahrhunderts spielt und von einer Dame der feinen Gesellschaft erzählt, die sich bei der wohltätigen Arbeit in einem Frauengefängnis in eine der Häftlinginnen verliebt. Auf einer ganz anderen künstlerischen Ebene arbeitet der Kanadier John Greyson, wenn er in „Fig Trees“ (Fr. 18.00) die Oper „Four Saints and Three Acts“ von Gertrude Stein und Virgil Thomson mit dem dokumentarischen Material von zwei Aidsaktivisten verbindet und so eine komplexe Mischung aus Musik-und Dokumentarfilm schuf, die in diesem Jahr auf der Berlinale mit dem Teddy ausgezeichnet wurde.

Die Subkultur der transsexuellen Kushras, denen in Pakistan traditionell ihren Freiraum gewährt wird und die so einen ganz eigenen Lebensstil entwickeln konnten, wird in dem Dokumentarfilm „Kiss the Moon“ vorgestellt. Der Regisseur Khadil Gill stellt ihn 0am Donnerstag um 18.00 selber vor. Eine der Ikonen der Schwulenbewegung war der britische Exzentriker Quentin Crisp. Ein Dandy mit scharfer Zunge, der schon 1975 von John Hurt in dem Film „The Naked Civil Servant“ verkörpert wurde. Nun spielt er ihn noch einmal in „An Englishman in New York“ (So 18.00) von Richard Laxton, in dem die späten Jahre des Unikums beschrieben werden, und der nebenbei auch ein Sittengemälde des New York der 80er und 90er Jahre zeichnet.