: Im Zeichen des Wasserbüffels
Panter-Kandidatin (9): Helga Range aus Jülich organisiert mit ihrer „Aktion Wasserbüffel“ vielfältige Hilfsprojekte auf den Philippinen
An dieser Stelle porträtieren wir jeden Samstag eineN von zwölf KandidatInnen für den taz-Panter-Preis.
Labradorhündin Svea hat einen halben Tierpark an Stofftieren, in die sie sich gerne ausgelassen knurrend verbeißt. Ein Wasserbüffel fehlt. „Den gibt es leider nicht aus Stoff“, sagt Helga Range schulterzuckend. Denn Wasserbüffel sind zumindest Frauchens Lebenssymbol geworden.
Bei amnesty international hat sich Helga Range seit 1979 engagiert. Als Ehemann Jochen, heute pensionierter Physiker der KFA in Jülich, 1992 deutscher Amnesty-international-Koordinator für die Philippinen wurde, fuhren beide gemeinsam hin. Helga Range war erschrocken: „Als ich das Elend da gesehen habe! Kinder vegetierten im Dreck, keine Wohnung, keine Medikamente, keine Schulen, kein Wasser, kein Nichts.“
Vielseitige Aktionen
Kaum waren sie wieder zu Hause, ging es los: Helga Range alarmierte die örtliche Zeitung für einen Spendenaufruf: „Ich wünsche mir zum Geburtstag einen Wasserbüffel.“ Hinter ihrem Mietblock wurde eine kleine Party gefeiert. Freunde, Nachbarn und Neugierige kamen – und insgesamt wurden 3.600 Mark an Spenden gesammelt. Ranges junge braune Augen strahlen: „Dafür konnten wir sogar drei Wasserbüffel kaufen. Abends im Bett habe ich mir vor Freude ins Bein gekniffen.“
Wasserbüffel sind das ideale Arbeits- und Lastentier, vor allem für bergige Regionen. 1994 gründete Helga Range das Selbsthilfeprojekt „Aktion Wasserbüffel“ und kümmerte sich um Koordinatoren vor Ort, denn „verlässliche Projektpartner sind das A und O“. Vielseitige Aktionen laufen mittlerweile – für Straßenkinder, Waisenhäuser, Schul- und Brunnenbau, Wasserleitungen, gegen sexuellen Missbrauch und Willkür. „Da sitzen Fünfjährige im Knast, weil sie aus blanker Not zum Überleben etwas geklaut haben.“ Range zeigt Fotos eines verlumpten Jungen hinter Gefängnisgittern.
Hilfe zur Selbsthilfe
„Wir können nicht viel tun, aber immerhin“, sagt sie. „Wir sind ja nur ein ganz kleiner Verein.“ Gut zehntausend Euro im Jahr kommen zusammen. Ein Büffel wird nur noch selten gekauft, das Tier ist zum Symbol für das Engagement geworden. Stattdessen hat die Aktion zum Bespiel dem jungen Philippiner Titing mit rund 100 Euro monatlich das Ingenieurstudium finanziert, inklusive der vertraglichen Auflage, später selbst „sozial tätig zu werden“. Vorbildliche Hilfe zur Selbsthilfe. „Heute hat Titing einen Job und arbeitet in einem Gewerkschaftsprojekt.“ Range zeigt neue Fotos. „Hier, das ist er.“
Helga Range ist ein Synonym für Energie. Erfreulicherweise ohne Verbissenheit und Missionierungswahn: „Manchmal schüttele ich über mich selbst den Kopf“, lacht sie. Aber: „Ich lebe für die Philippinen. Und ich habe immer das Gefühl, ich muss noch mehr, mehr, mehr machen.“ Drei eigene Kinder haben die Ranges: Vor Jahren, als junge Schüler noch, haben sie einmal rebelliert gegen ihre Eltern: „Die Kinder kamen plötzlich mit Protestplakaten aus ihren Zimmern, haben damit hier im Wohnzimmer eine Demo gemacht und gedroht, sie würden amnesty international anrufen, weil wir uns so wenig um sie kümmern.“
Alle zwei Jahre fliegen die Eheleute Range selbst auf die Philippinen, „bezahlt selbstverständlich aus eigener Tasche“. Helga Range schwärmt: „Wir genießen unsere Aufenthalte dort ja auch, bei diesen wunderbaren Menschen. Die sind trotz allem so fröhlich und mutmachend. Selbst wenn sie nichts haben, bieten sie immer noch etwas an.“
In Deutschland macht die ehemalige Krankenschwester andere Erfahrungen. „Was glauben Sie, was ich hier schon an Ausreden erlebt habe. Einmal habe ich versucht, alle Lehrer der Stadt dauerhaft um fünf Mark monatlich anzugehen, für meine Planungssicherheit.“ Nur wenige machten mit. „So was geht mir an die Nieren. Da hatte ich schlaflose Nächte.“ Ein griechischer Wirt sprang als Ersatz ein, er und sein Kellner spenden seitdem ihr Trinkgeld. Andere spezifische Erfahrungen als eine Art Passivtherapeutin kommen hinzu: „Wissen Sie, manchmal sitzen Freunde hier, erzählen mir ihre Sorgen und wissen gleichzeitig, was ich an wirklichem Elend kenne: Und manchmal geht es denen, ohne dass ich überhaupt etwas sage, schon wieder besser.“
„Ich liebe den Büffel“
Die Büffelfrau aus Jülich ist auch mit Fachliteratur nicht zu provozieren: Büffel seien, so steht es in „Brehm’s Tierleben“, plump gebaute Rinder mit ungefälligem Leibe. Kein Protest. Weiter heißt es, Büffel hätten eine unschöne Schnauze. „Stimmt“, sagt Helga Range. Blöde und düster blickende Augen. „Stimmt alles, so ist er“, sagt sie, „aber ich liebe den Büffel trotzdem, so wie er ist.“ BERND MÜLLENDER