: Wenig Ermutigung für die Türkei
ERWEITERUNGSBERICHT Auf einen schnellen EU-Beitritt kann die Türkei nicht hoffen. Kroatien klopft dagegen an die EU-Tür. Mit Mazedonien sollen Verhandlungen beginnen
Olli Rehn
AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER
Für türkische Diplomaten ist Brüssel ein harter Posten. Schließlich sind es fast immer unerfreuliche Nachrichten, die sie von hier nach Ankara übermitteln müssen. Auch gestern, als die EU-Kommission den jährlichen Fortschrittsbericht für sechs Balkanstaaten, das Kosovo und die Türkei veröffentlichte, ließ sich das Ergebnis so zusammenfassen: Es gibt unverändert große Demokratiedefizite, kaum Fortschritte im Justizapparat und bei den Menschenrechten.
Zwar betonte Erweiterungskommissar Olli Rehn erneut, welch wichtige Rolle die Türkei für Europa spiele, vor allem bei der Sicherung der Energieversorgung und im interkulturellen Dialog. Doch das wird die Politiker in Ankara nicht trösten.
Ankara müsse den Reformprozess wiederbeleben, mahnte Rehn. Weder bei der Meinungs- und Pressefreiheit noch bei Arbeitnehmerrechten, Religionsfreiheit und der Behandlung von Minderheiten gebe es nennenswerte Fortschritte. Vertragswidrige Beschränkungen für das EU-Mitglied Zypern, das nach wie vor keine türkischen Häfen und Flughäfen ansteuern kann, müssten ein Ende haben. In der Zypernfrage mahnte Rehn: „Die Lage auf der Insel ist ein Anachronismus. Wenn ich dort bin, fühle ich mich an den Checkpoint Charlie zurückversetzt.“
Auf die Frage, warum die EU-Kommission dem Kosovo noch keine Beitrittsperspektive eröffnet, erinnerte Rehn daran, dass erst 22 der 27 EU-Mitgliedsländer das Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt haben. Während Bürger von Mazedonien, Montenegro und Serbien ab kommendem Jahr ohne Visa in die EU einreisen dürfen, bleibt die Visapflicht für Kosovaren bestehen. Zur Visafreiheit für Albaner und Bürger aus Bosnien-Herzegowina will die EU-Kommission Mitte nächsten Jahres einen Vorschlag vorlegen.
Ermutigende Signale hält der Fortschrittsbericht für Kroatien bereit. Nach vier Jahren intensiver Verhandlungen nähere sich das Land „der Zielgeraden“, so Rehn. Korruption und organisierte Kriminalität müssten aber noch wirkungsvoller bekämpft werden. Ein Erfolg sei es, dass der Grenzkonflikt zum Nachbarland Slowenien, das bereits der EU angehört, ausgeräumt werden konnte. Doch der Beitrittsprozess sei noch nicht unumkehrbar.
Aufatmen kann auch Mazedonien. Laut Zeugnis der EU-Kommission erfüllt es die Voraussetzungen dafür, dass nun Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Das größte Hindernis, der Namensstreit mit Griechenland, bleibt aber bestehen. Athen will den Beginn der Verhandlungen mit seinem Veto blockieren, bis Skopje den Landesnamen ändert. Griechenland reklamiert den Namen Mazedonien für seine nördlichste Provinz. Rehn hofft nun, dass der Bericht dazu beiträgt, „dass der achtzehn Jahre alte Streit beigelegt wird“. Wer nachgeben soll, sagte er allerdings nicht.