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heute in hamburg„Rosa Luxemburg war eine sanfte Frau“

Szenische Lesung „Aus den Gefängnisbriefen der Rosa Luxemburg“: 20 Uhr, Kulturladen St. Georg, Alexanderstraße 16, Eintritt 10 Euro, ermäßigt 7 Euro

Interview Yasemin Fusco

taz: Herr Jorde, was interessierte Rosa Luxemburg abseits der Politik?

Tristan Jorde: Rosa Luxemburg war entgegen aller Behauptungen, sie sei blutrünstig, eine sehr sanfte Frau. Aus ihren Gefängnisbriefen liest man eine große Liebe zur Natur. Sie studierte Botanik, aber auch die Kunst interessierte sie: Im Gefängnis studierte sie Bildbände und hat sich mit Kunstgeschichte beschäftigt.

Weshalb wurde sie inhaftiert?

Sie wurde während des ersten Weltkriegs wegen Verunglimpfung der Reichswehr zur Haft verurteilt, weil sie gegen den Krieg war. Sie kam kurz frei, wurde aber wieder schnell in militärische Sicherheitshaft gebracht.

Wurden ihre Briefe an Freunde und die Öffentlichkeit zensiert?

Ja. Wobei sie selten nur über Politisches geschrieben hat. Ihre Briefe sind voller Lebensfreude. Sie munterte ihre Mitstreiter*innen noch in der Isolationshaft auf, weiterzumachen und gegen Krieg zu protestieren.

Wurde sie in dieser Zeit stiller?

Nein. Rosa Luxemburg muss eine begnadete Rednerin gewesen sein. Sie vertrat einen bedingungslosen Humanismus. Sie hat sich es auch im Gefängnis nicht nehmen lassen, entschieden gegen den Krieg anzuschreiben. Sie war eine Pazifistin und trotzdem beharrlich.

Wie erstritt Rosa Luxemburg ihre Rechte?

Sie ging für ihre Doktorarbeit nach Zürich, weil sie wusste, dass in es in Deutschland nicht geht. Sie war eine jüdische Polin, Frau, klein, gehbehindert, trotzdem faszinierte sie die Massen. Kurz: Sie hat sie sich einfach genommen.

Foto: Peter Katlein

Tristan Jorde, 53, als Schauspieler und Sänger im Künstlerkollektiv „M.PöRT“.

Sie und Ihre Kollegin Kristin Kehr lesen gemeinsam aus den Briefen vor: Wer nimmt da welche Rolle ein?

Natürlich liegt es nahe, dass die Frau, also Kirstin Kehr, Rosa Luxemburgs Innenleben und ihre Positionen vertritt. Ich werde auch zeitgenössische Zeitungsartikel vorlesen. Aber wir treten auch aus unseren Rollen und gehen in den Dialog mit unseren Gästen. Wir spielen Musik und im Hintergrund laufen Bildprojektionen aus Rosa Luxemburgs Leben. Wir wollen, dass sie gelesen wird, und das Publikum einladen, Rosa Luxemburg neu zu entdecken.

Welche Forderungen von Luxemburg sind heute noch aktuell?

Zum einen der Pazifismus: Heute leben wir in Zeiten aufgekündigter Abrüstungsabkommen und erleben eine zunehmende Militarisierung. Zum anderen auch das Eintreten für die Demokratie und einer positiven, lebenslustigen Denkweise.

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