: Deutsche Bank rüffelt die Union
Bank-Chefökonom Norbert Walter kritisiert die christdemokratische Energiepolitik. Die CDU müsse Prioritäten setzen beim Ausbau der ökologischen Stromproduktion. Eine Zukunft ohne einen höheren Anteil regenerativer Energie sei nicht vorstellbar
AUS BERLIN NICK REIMER
„Wer auf erneuerbare Energien eindrischt, hat nicht alle Tassen im Schrank.“ Mit diesen Worten kritisierte Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, gestern die energiepolitischen Wahlkampf-Aussagen der Union. Eine Zukunft ohne den Ausbau regenerativer Energie sei unvorstellbar. Im Gegenteil: Nur mehr Öko-Energie „werde dazu beitragen, dass sich die Strompreise langfristig stabilisieren“.
Das dürfte der Union gar nicht gefallen: Sie will die deutsche Wirtschaft mit billigem Atomstrom ankurbeln. „Wenn wir abgeschriebene Kernkraftwerke länger laufen lassen, hilft das, den Preis zu senken“, erklärt CDU-Umweltpolitiker Peter Paziorek. Nach den Vorstellungen der Union sollen die Konzerne den Atomgewinn freiwillig in Öko-Energie investieren. Die Hoffnung: Die finanzielle Förderung der erneuerbaren Energie muss nicht mehr auf alle Verbraucher umgelegt werden, der Strompreis kann sinken.
Chefvolkswirt Walter hält das für „Quatsch“: „Entweder Ausbau oder Strompreissenkung – auch die CDU kann einen Euro nicht zweimal ausgeben.“ Er hoffe, das die Wähler dies erkennen würden. „Für mich ist klar, wo die Union Priorität setzen muss: beim Ausbau.“ Aber auch Walter hält längere AKW-Laufzeiten für sinnvoll. Wenn allerdings die Politik den Atomkonsens zurückdrehe, sei „sie verpflichtet“, den höheren Gewinn der Unternehmen „regulatorisch abzuführen“.
Ihrem Wahlprogramm zufolge will die Union die „exorbitante Subventionierung“ der erneuerbaren Energie reduzieren. Walter erklärte, solche Aussagen würden nur im Hinblick auf die Wahl gemacht. Europa sei die beste Plattform für eine zukunftsfähige Energiepolitik. Walter: „Wir werden uns wundern, welchen Run es in Amerika auf Erneuerbare gibt – wenn die Klimaschäden Washington erreichten.“
Derweil stieg der Strompreis gestern weiter. Öl im elektronischen Handel kostete 66,13 Dollar je Barrel – ein neues Allzeit-Hoch und 60 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Zudem kündigte Harry Roels, Vorstandschef des Stromkonzerns RWE, eine neue Preisrunde an: „Steigende Strompreise sind europaweiter Trend.“ Roels verbucht einen Halbjahres-Profit von 3,5 Milliarden Euro. Analysten schreiben das dem gestiegenen Strompreis zu: Der liegt 4 Prozent über dem Vorjahresniveau.
Verbraucherschützer bringt das auf die Palme. „In anderen Ländern führen steigende Gewinne der Stromkonzerne zu sinkenden Preisen. Bei uns steigen die Preise, damit der Konzerngewinn steigen kann“, erklärte Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. „Und die Erneuerbaren müssen immer als Grund herhalten“, klagt Milan Nitschke vom Bundesverband erneuerbarer Energie. Strom für private Haushalte koste derzeit durchschnittlich 19,6 Cent, so Nitschke. Im Preis enthalten: nur 0,54 Cent für die Erneuerbaren. Und obwohl das für Erneuerbare nur 0,07 Cent mehr sind als 2004, „kostet die Kilowattstunde den Verbraucher 1 Cent mehr“, erklärt Nitschke.