: Wieso der Ölpreis uns nicht schockt
Der Ölpreis ist eine Kurve, die steigt. Mit dem Ölpreis geht es bergauf, seit Wochen schon. Wenn Peter Engelke sich die Kurve ansieht, ist er zufrieden. Er hat sich richtig entschieden, rechtzeitig.
Engelke ist Heizöllieferant. Er hat eine Firma in Berlin-Britz. Es ist eigentlich so etwas wie eine Spedition, sagt er. Seine Tanklaster fahren das Öl vom Großhändler, wo es in großen Tanks lagert, zu den Häusern der Kunden und pumpen es denen in die Keller. Im Frühjahr hat er die Tanks in seinem eigenen Keller gefüllt, die in seinen vier Mietshäusern und die auf dem Firmengelände. 75.000 Liter insgesamt. Er hätte damals nicht gedacht, dass er heute so froh darüber sein würde. Peter Engelke sitzt im Besprechungraum neben seinem Büro, hinter ihm zeigen drei Uhren die Zeit in Berlin, Tokio und New York an. In Tokio ist es halb sechs. Engelke rechnet aus, wie stark der Preis gestiegen ist, seit er gekauft hat. Für eine Weile wirbeln Zahlen durch den Raum. 30, 40 Prozent mehr. „Det is Wahnsinn. Det muss man sich ma’ auf der Zunge zerjehn lassen.“ Mit so viel hatte er im Frühjahr nicht gerechnet. In den nächsten Wochen wird es kaum billiger werden. Je näher die Heizperiode rückt desto größer wird die Nachfrage, das treibt den Preis.
Es ist jedes Jahr dasselbe Spiel, für alle, die mit Öl heizen. „Es ist wie eine Lotterie“, sagt Peter Engelke. Man muss irgendwann seinen Tipp abgeben und tanken. Erst Wochen oder Monate später wird man die Zahlen vergleichen und sehen, ob man gewonnen oder verloren hat. Weil der Ölpreis seit zwei Jahren schon recht hoch ist, riskieren die Leute aber nichts mehr. Sie kaufen nur das Nötigste an Heizöl, Kleinstmengen. Es stört Engelke nicht unbedingt. Die kleinen Mengen haben die größeren Gewinnmargen. Die Kunden hoffen eben, dass die Kurve im Sommer nach unten neigt. Zurzeit zeigt sie nach oben. Gestern erreichte der Ölpreis ein Rekordhoch von über 66 Dollar für einen Barrel, was 159 Litern entspricht.
Dass Öl immer teurer wird, hat mit den Raffinerien zu tun, erklärt Engelke. Eine befreundete Bankerin hat ihn darauf gebracht. Es gibt zu wenig Raffinerien. Die, die es gibt, sind ausgelastet. Selbst wenn mehr Öl gefördert wird, kann nicht mehr Öl angeboten werden. Das Angebot bleibt niedrig, der Ölpreis hoch. Damit er sinkt, müssten neue Raffinerien gebaut werden. Fünf Jahre könnte es bis dahin dauern, schätzt er.
Als ihm das klar war, hat er seine Jahresvorräte aufgefüllt und in Engelke aktuell, seinem Informationsblättchen, die Kunden gewarnt: „Den Nachkauf von Heizöl weiter zu verschieben, sollte sich nur leisten, wer auch lächelnd einen größeren Geldbetrag verzocken kann.“ Einige haben daraufhin eingekauft, andere warten weiter. Bedankt hat sich bei ihm noch keiner. Vielleicht wird es auch den Mietern in seinen Häusern kaum auffallen, wie viele Heizkosten sie in diesem Jahr sparen, weil Engelke ihnen die Ölkosten vorgestreckt hat. So etwas leistet sich sonst kaum eine Hausverwaltung. Aber das war es ihm wert. Peter Engelke hat jetzt das schöne Gefühl, Recht gehabt zu haben – immer wenn er an die Ölkurve denkt.JOHANNES GERNERT