: „Arbeitgeber haben ihre Pflicht nicht erfüllt“
Die Unternehmen haben ihre Verpflichtungen für Azubis nicht erfüllt, sagt der SPD-Arbeitsmarktexperte Schmeltzer. Er fordert nun die Ausbildungsumlage – dabei hat sich die NRW-SPD stets für freiwillige Vereinbarungen eingesetzt
taz: Herr Schmeltzer, sie fordern eine Ausbildungsplatzabgabe für Unternehmen, die keine Lehrstellen einrichten wollen. Woher kommt der plötzliche Umschwung auf Gewerkschaftskurs?
Rainer Schmeltzer: Ich habe lediglich gesagt, dass angesichts der schlechten Ausbildungslage neu darüber nachgedacht werden muss, wie man diese verbessern kann. Im Ausbildungskonsens in NRW haben sich die Arbeitgeber verpflichtet, eine bestimmte Zahl von Lehrstellen einzurichten. Das haben sie bisher nicht getan. Im Gegenteil: Allein in NRW fehlen zurzeit im Vergleich zum Vorjahr achteinhalb tausend Ausbildungsplätze.
Mit ihrer Überlegung stehen Sie in ihrer Partei allein da. Ex-Arbeitsminister Harald Schartau, Ex-Ministerpräsident Peer Steinbrück und auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement wollen keine Ausbildungsplatzabgabe.
Ich habe mir die Idee nicht aus den Fingern gesogen, das Abgaben-Gesetz ist im Bundestag bereits verabschiedet. Es wurde auf Eis gelegt, weil die Unternehmer in Ausbildungspakt und -konsens sich freiwillig zur Schaffung von neuen Lehrstellen verpflichtet haben. Genauso wie im Bündnis für Arbeit. Dafür sollten die Gewerkschaften für milde Tarifabschlüsse sorgen. Die Arbeitnehmer haben ihre Pflicht erfüllt, die Arbeitgeber nicht.
Vor allem kleinere Unternehmen sagen, sie hätten nicht die Kapazitäten um auszubilden.
Das stimmt so nicht, was man an einem Pilotprojekt im östlichen Ruhrgebiet sehen kann: Dort haben Gewerkschaften, IHK, der Einzelhandelsverband und Bildungsträger mit kleineren Betrieben zusammen durch intensive Akquise in den vergangenen 15 Monaten 113 neue Lehrstellen hervorgebracht. Oftmals kommen kleinere Betriebe ihrer Ausbildungspflicht stärker nach als die großen.
Viele Arbeitgeber jammern darüber keine geeigneten Azubis finden. Sind die Jugendlichen dümmer geworden?
Dieses Gejammer gibt es auf Seiten der Arbeitgeber bereits seit den 50er und 60er Jahren, das ist nicht neu. Die Jugendlichen sind heute bestimmt nicht dümmer als früher. Dafür ist das Anforderungsprofil gestiegen. Als ich 1977 mit meiner mittleren Reife zum Kaufmann in der Wohnungswirtschaft ausgebildet wurde, hatten auch Hauptschüler noch eine Chance. Heute picken sich die Arbeitgeber überwiegend Abiturienten heraus.
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will für Jugendliche mit schlechten Schulnoten eine verkürzte, praxisorientierte Ausbildung schaffen.
Das ist auch nicht neu. Ex-Arbeitsminister Schartau hat das in seiner Amtszeit für bestimmte Branchen schon eingeführt. Es ist begrüßenswert, wenn Rüttgers die vereinfachte Ausbildung ausweiten will. Die Idee stammt aber von der SPD.
INTERVIEW: NATALIE WIESMANN