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Archiv-Artikel

Permanent erfasst

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski warnt vor der totalen Beobachtung

Überwachungskameras gehören mittlerweile zum Alltag: Sei es an Tankstellen, in Banken, im Supermarkt, in der Bahn, im Einkaufszentrum oder auch auf der Straße, das gläserne Auge schaut fast überall zu. „Wir sind noch kein Überwachungsstaat, aber wir sind ein Beobachtungsstaat“, sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski. „Wir nähern uns dem Zustand der permanenten Beobachtung und Erfassung.“

Die Gefahr eines totalen Überwachungsstaats sieht Lubomierski nicht. „Diese Tendenz kann ich nicht erkennen, aber es droht eine Totalerfassung.“ Er warnt davor, zu viele Rechte an den Staat abzutreten. „Denn ein wesentlicher Teil unserer Freiheitsrechte ist, dass wir uns frei und unbeobachtet bewegen dürfen.“ Teile dieser Freiheit im Tausch für mehr Sicherheit abzugeben, werde sicherlich nicht den gewünschten Effekt bringen.

Vor allem das von Politikern bei Diskussionen um mehr Überwachung ins Feld geführte Argument der terroristischen Bedrohung bereitet Lubomierski Kopfschmerzen. „Eigentlich stehen die Politiker dem Terrorismus hilflos gegenüber“, sagt er. „Wenn sie dem Bürger nun große Opfer abverlangen, um die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen um den Schutz der Bürger zu demonstrieren, ist dies ein großer Denkfehler und gefährlich.“

Die dicht gestaffelte Videoüberwachung in London habe die Terroranschläge im Juli auch nicht verhindern können. „Wir sollen Freiheiten aufgeben und gewinnen doch nicht mehr Sicherheit. Wir müssen aber eine freiheitliche Gesellschaft bleiben und den inneren Widerstand finden, um dem Terrorismus ins Auge zu sehen“, empfiehlt Lubomierski. Die Politiker sollten insoweit ihre Hilflosigkeit eingestehen, statt Überwachungsfantasien zu hegen, die gerade auch den rechtstreuen Bürger treffen. „Nur eine freie Gesellschaft kann auch eine sichere und wehrhafte Gesellschaft sein.“

Kritik übte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte an dem neuen Polizeigesetz der Hansestadt, das die öffentliche Videoüberwachung von Orten erlaubt, an denen „wiederholt Straftaten“ – also mindestens zweimal – begangen wurden. „Das kann praktisch an jeder Straßenecke sein“, sagt Lubomierski. Seiner Ansicht nach führe diese Videoüberwachung auch nicht zu einer Beseitigung der Kriminalität. „Vielmehr wird die Kriminalität an andere Orte verdrängt.“ Dennoch sei eine Überwachung von Kriminalitätsbrennpunkten nicht abzulehnen, wenn dadurch die Sicherheit der Bürger in diesen Bereichen erhöht wird. „Aber das Ganze darf nicht in eine flächendeckende Totalüberwachung ausarten.“ taz/dpa