: Der seifige Superhirte
Am Weltjugendtag besucht der Papst Köln. Was ist Benedikt XVI. eigentlich für einer?
Er ist seit Petrus das 270. Rad am Wagen der römischen Kirche und der amtierende Weltmeister der Katholiken: Papst Joseph Ratzinger, seit dem 18. April 2005 tätig unter seinem Künstlernamen Benedikt XVI. Wahrlich, selbst der Wind hielt den Atem an und die Flüsse blieben mit dampfenden Socken stehen, als die Nachricht durch den Äther knatterte, dass der achte Deutsche seit Erschaffung der Welt den Stuhl Petri unter sein Hinterteil geschoben hatte.
Sensationell kurz wie ein Stoßgebet war die Wahl im Konklave gewesen; schon am zweiten Tag hatte Ratzinger seine Finger so tief im Pontifikat, dass ihn niemand mehr halten konnte. Der Vatikan ließ die Eier läuten, wie die Glocken von Sankt Peter auch heißen, und hunderttausende Gläubige auf dem Petersplatz stapelten sich waagerecht aneinander, als das Ding gebacken war und der neue Superhirte der heiligen Ecclesia in blendendem Schneeweiß des clarissimus Pontifex maximus inoperabilis auf den Begrüßungsbalkon stolzierte, um die Menschen unter sich mit einem Lächeln einzuseifen.
Ganz oben aber schnurrte Gott vor Behagen, weil er es wieder einmal verstanden hatte, seinen Mann an die Spitze des Syndikats zu bugsieren. Denn Ratzinger ist zwar sanft in seinem Äußeren wie ein gebratenes Lamm, schüchtern im Umgang wie ein betäubter Grottenolm, aber innen eisern asphaltiert vom Beton des rechten Glaubens. Schon seit 1981 hatte er der römischen Kurie als neuer Torquemada nach Strich und Faden gedient, den Befreiungstheologen Leonardo Boff mit den Lippen an den Felsen des Schweigens geschmiedet und Eugen Drewermann in eine siedende Kutte gesteckt.
Ein Ende in der ewigen Bratpfanne droht Pfarrern, die Wiederverheiratete in die heilige Kommunion beißen lassen, und der Kochtopf ist Katholiken gewiss, die ihren Rüssel gemeinsam mit Protestanten in den Abendmahlskelch hängen. Und Gott lauert mit weiteren Höllenstrafen: Da werden die Zungen derer, die nicht nach Gottes Schnabel predigen, mit glühenden Stricknadeln gespickt, und die Augen aller, die sich vor Jesu Herrlichkeit am Kreuz verschlossen, werden mit Löffeln aus den Augenhöhlen gepult und wie Spiegeleier auf den Boden geworfen. Denn siehe, schon immer war Religion die Lizenz, mit gutem Gewissen Böses zu tun und die Feinde zu Knochenmehl zu verarbeiten; oder auch zu Straßenkehricht zu zerfetzen.
Doch seien wir päpstlicher als der Papst, erbarmen wir uns! Nie nämlich hat Ratzinger in 78 Jahren seine Birne ins Leben gehalten, sondern nur in die schwarze Welt von Kutte und Kirche. Schon als Bube liebte er das Beten, begeisterte er sich fürs Segnen und Weihen, berauschte ihn das Beichten, Büßen und Abbitteleisten, und täglich predigte er den Tieren, denn er wuchs auf dem Land auf, wo man die Vögel zwitschern hört. Während seine Schulkameraden sich mehr für die Fruchtbarkeitswerkzeuge interessierten, nackte Bilder von lauter Busen herumzeigten, verschloss Joseph seine sieben Zwetschgen vor der Sünde und sublimierte mit Vollgas voraus, bis er selber den langen Rock über seine Pelle zog und 1951 mit vollem Hosianna als Priester begann, bevor er dann endlich 1977 zum Erzbischof von München und Freising gesalbt und gleich noch im selben Anno Domini zum Kardinal geölt wurde.
Zugleich war Ratzinger aber einer der wenigen in Gottes Bodenpersonal, die mit ihrem Gehirn denken konnten, wenn auch am Ende nur Theologie herauskam. Er lächelte zufrieden von einem Ohr bis zum nächsten, wenn er die Fragen nach Woher und Wohin, nach Warum und Wozu, nach dem richtigen Leben und dem Wesen des Menschen mit dem Höheren Kuckuck der Gottesgelehrsamkeit ausbremsen konnte. So wurde er 1953 Doktor der Religion, 1957 ihr Professor, ließ seinen Geist strahlen wie andere ihre rote Nase und gab als Dogmatiklehrer an den Universitäten Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg den schwarzen Mann, vor dem den 68ern die Zähne schlotterten.
Und heute, wo er am Ziel aller Ziele angelangt ist? Seien wir getrost: Wie Jesus ist Benedikt XVI. Papst und Mensch zugleich, ist moralische Instanz und menschlicher Abgrund in einem. Er macht den Heiland der Gekrümmten, den Messias der Begossenen, den Samariter der Verschrumpelten, aber eigentlich ist er mit seinem Amt ganz zufrieden. Benedikt XVI. schaukelt im Saft der Unfehlbarkeit und weiß, dass er es geschafft hat. Und träumen wir davon nicht alle?
PETER KÖHLER