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Archiv-Artikel

Happy Birthday, Viertelkino

KULTURGESCHICHTE Diese Woche feiert die Bremer Schauburg ihr 30-jähriges Bestehen mit Filmpremieren, Konzerten und einer Ausstellung, die den Weg vom Pornokino zum Szenetreffpunkt zeigt.

VON WILFRIED HIPPEN

Sie ist tatsächlich die Burg im Viertel. Das Kino Schauburg ist eine von jenen Institutionen, die dem Bremer Steintorviertel seine Identität geben. Mit 349 Plätzen in zwei Sälen ist es das größte Kino der Stadt jenseits der Multiplexe und gespielt wird eher Filmkunst als die Produkte der Filmindustrie.

Dabei ist das Kino noch viel älter und es war größer. 1929 wurde es als erstes für Tonfilme eingerichtete Kino der Stadt gebaut und damals hatte es 1.000 Sitzplätze. Der eigentliche Kinosaal lag auf ebener Erde in den Räumen, die heute von einem Supermarkt und einer Bäckerei genutzt werden. Die heutige Schauburg war damals der Balkon des riesigen Galakinos. Im Krieg zerstört, wurde die Schauburg zwar wieder aufgebaut, aber nach den Kinoglanzzeiten der 50er-Jahre ging es mit ihr so bergab wie mit den meisten Stadtteilkinos. In den 80er-Jahren war sie schließlich ein Pornokino.

1982 taten sich ein paar film- und musikbegeisterte Viertelbewohner zusammen und gründeten am 3. September den „Kulturverein Schauburg“. Vom 17. September an wurde das Kino von diesen Idealisten übernommen und zuerst wurde dort eine Mischung aus Konzerten und Kino geboten. Stars wie Tom Waits, The Lounge Lizards, Gato Barbieri und Eartha Kitt traten hier auf, doch langsam stellte sich heraus, dass sich solch eine Mischnutzung nicht rechnete. Unter der Leitung von Manfred Brocki wurde die Schauburg weitgehend als Kino betrieben und überstand so auch das große Kinosterben in den 80er-Jahren. Damals verhinderte manchmal ein einziger gut gehender Film den Bankrott und so kann man viel schlechtes über „Cobra Verde“ von Werner Herzog sagen, aber ohne ihn gäbe es die Schauburg wohl schon lange nicht mehr.

Inzwischen ist die Schauburg das Flaggschiff des Betriebs Bremer Filmkunsttheater, zu dem auch das Atlantis in der Böttcherstraße und die Gondel in Schwachhausen gehören. Gespielt werden neben den Arthouse-Produktionen, von denen einige in diesem Kino die besten Besucherzahlen des Landes erreichen, inzwischen auch Blockbuster wie der letzte Batmanfilm oder „Harry Potter“. Andererseits laufen in der Schauburg auch regelmäßig kleine Filmreihen und Festivals. So etwa das Kubanische Filmfest, das Festival für den gescheiterten Film und Ende September wieder die Reihe „Cinema! Italia!“.

Inzwischen sind beide Kinos voll digitalisiert und mindestens einmal in der Woche ist der große Saal fast immer ausverkauft. Denn die „Sneak-Preview“ mit Originalfassungen an jedem Montag um 21.45 hat sich mit einem festen Stammpublikum zu solch einem überraschenden Erfolg entwickelt, dass es oft schwierig ist, kurzfristig noch Karten zu bekommen.

Dieses Problem könnte auch in den nächsten Tagen entstehen, denn die Schauburg bietet ein interessantes Geburtstagsprogramm mit drei Filmpremieren, zwei Konzerten und einer Fotoausstellung. Am Freitag um 20.30 Uhr werden der Regisseur Hans Christian Schmid und sein Hauptdarsteller Lars Eidinger den Film „Was bleibt“ vorstellen, der auf der diesjährigen Berlinale lief und ab der nächsten Woche in der Schauburg im regulären Programm gezeigt wird.

Am Samstag um 20.00 Uhr sind die Schauspieler August Diehl und Ronald Zehrfeld sowie der Drehbuchautor Ronny Schalk als Gäste eingeladen, um den Film „Wir wollten aufs Meer“ vorzustellen.

Am Sonntagnachmittag um 15 Uhr gibt es schließlich eine Vorpremiere des in Cannes gekrönten neuen Films von Michael Haneke: „Liebe“.

Die Formation Swim Two Birds des Sängers und Saxofonisten Achim Gätjen war lange eine Art Hausband der Schauburg. Jetzt kommt Gätjen mit Les Rabiates zurück in die Heimat. Diese Bremer Band, zu der auch der Pianist Michael Berger gehört, spielt ihr Programm mit Country-Trash-Banditen-Balladen am Freitag ab 22.30 Uhr. Der Schauspieler August Diehl spielt Gitarre in der Band „Hands up –Excitement!“. Und so gibt es eine Art Doppelauftritt von ihm, wenn er zuerst den Film „Wir wollten ans Meer“ vorstellt und dann am Samstag ab 22 Uhr Musik macht.

In der Ausstellung „Long Live The Schauburg“, die am Freitag um 18.00 Uhr im Foyer eröffnet wird, zeigen Lisa Späthe und Jule Osten viele Fotos und Dokumente aus der langen und bewegten Vergangenheit der Schauburg.

Darunter wird sicher auch ein Foto vom Besuch von Fatih Akin sein, der 2005 hier seinen Film „Crossing the Bridge“ vorstellte, sich im Viertel einen Imbiss besorgen wollte und so fasziniert von der Atmosphäre des Stadtteils (und vor allem der Helenenstraße) war, dass er dort einen großen Teil seines nächsten Films „Auf der anderen Seite“ drehte. Auch so etwas passiert in der Schauburg.