die woche in berlin
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Eine Schlappe für den Konzern Deutsche Wohnen: Drei hart umkämpfte Blöcke in der Karl-Marx-Allee werden von einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft übernommen. Der Mieterverein legt ein eigenes Modell für den Berliner Mietendeckel vor. Und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg will mit mobilen Gastronomieangeboten die Attraktivität des Görlitzer Parks steigern.

Deutsche Wohnen zieht den Kürzeren

Gewobag übernimmt drei Blöcke in der Karl-Marx-Allee

Berlin hat es geschafft. 700 Wohnungen, die die Deutsche Wohnen im November in der Karl-Marx-­Allee gekauft hatte, sind nun in öffentlicher Hand. Dabei war die Ausgangslage schlecht: Nur einer von damals vier verkauften Blöcken liegt im Milieuschutz­gebiet – und konnte noch im vergangenen Jahr über das Vorkaufsrecht von der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte übernommen werden. Für die Miete­rInnen der weiteren mehr als 600 Wohnungen sah es so aus, als könnte die Politik, wie so oft, nichts machen. Jetzt gehören die drei ­Blöcke der Gewobag.

Vielleicht ist es der besonderen Symbolik der Straße zu verdanken, ganz sicher aber der protestierenden Mieterschaft – Berlins Politik hat sich in diesem Fall ungewohnt kreativ gezeigt. Die Zusammenarbeit von Senat und Bezirk war ungewohnt kooperativ. Mit allen Mitteln wurde versucht, der Deutschen Wohnen das Geschäft zu vermiesen. Vor Gericht wurde gegen den Verkauf geklagt, parallel dazu wurde ein Modell dafür entwickelt, Wohnungen, die die Mieter über ihr individuelles Vorkaufsrecht erwerben konnten, direkt an eine Wohnungsbaugesellschaft weiterzugeben.

Die Rechnung ging auf: Die Deutsche Wohnen hatte plötzlich nicht mehr die Anteils- und damit Entscheidungsmehrheit in den Wohnblöcken – und schon wurde die Investition unattraktiv. Für einen spekulativen Kauf wie diesen braucht es Handlungsfreiheit bei der Gestaltung der Mieten, bei Modernisierungen und den Konditionen bei Neuvermietungen. Was jetzt passiert, ist das Gegenteil: Für 20 Jahre darf die Gewobag ausschließlich an Geringverdiener vermieten – so lautet der Deal mit dem Senat, der den Kauf bezuschusst.

Das Signal, das von der Karl-Marx-Allee ausgeht, ist nicht zu unterschätzen: Der Staat ist handlungsfähig, auch wenn die Bedingungen nicht optimal sind. Es ist genug Geld da, auch um große Ankäufe zu tätigen. Und es gibt den politischen Willen, Innenstadtwohnungen auch für Menschen mit wenig Geld zu sichern. Auf breiter Basis ist das schwer umzusetzen, als Droh­kulisse für die Investoren funktioniert dieser Fall dagegen allemal. Erik Peter

Das Signal, das von der Karl-Marx-Allee ausgeht, ist nicht zu unterschätzen

Erik Peterüber die Wohnungen, die die Deutsche Wohnen gekauft hatte und die nun doch in öffentliche Hand kommen

Ein undichter Deckel lässt sich nicht verkaufen

Vorschlag des Mietervereins zum geplanten Mietenstopp

Die Reaktion des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU machte misstrauisch. Als „erfrischend differenziert und diskussionsfähig“ bezeichnete der Verband die am Dienstag vorgestellten Vorschläge des Mietervereins zur Ausgestaltung eines Mietendeckel, wie ihn der Senat plant.

Differenziert? Diskussionsfähig? Normalerweise vertreten Verein und Verband exakt gegensätzliche Interessen. Bei näherem Hinsehen erklärte sich der freundliche Ton des BBU aber durchaus. Denn der Vorschlag des Mietervereins fällt teilweise hinter die vom Senat beschlossenen Eckpunkte zurück.

Der gravierendste Unterschied: Es soll keinen generellen Mietenstopp für alle geben. Der Mieterverein hat für Wohnungen je nach Baujahr und Größe sechs Höchstwerte pro Quadratmeter festgelegt. 25 Prozent der Mieten lägen darunter, so die Schätzung. Geht es nach dem Mieterverein, könnten sie weitersteigen, wenn auch nur um jährlich 1,5 Prozent.

Die Begründung: Dadurch würde man bei Vermietern, die bisher nicht so zugelangt haben, die Wirtschaftlichkeit nicht außer Kraft setzen. Vor allem aber will der Mieterverein ein Modell, das langfristig trägt, nicht nur für fünf Jahre. Und das kriege man mit einem kompletten Mietenstopp nicht hin, so die Argumentation.

Ein langfristiger Schutz der MieterInnen klingt gut, darauf zielte der Senat bislang aber nicht vorrangig ab. Der wird hinter die Ankündigung, die Mieten fünf Jahre einzufrieren, kaum wieder zurückkommen. Ein Deckel, der nicht ganz dicht ist, ließe sich politisch schlicht nicht verkaufen. Und es ist ja auch schwer zu vermitteln, warum gerade bei denen, die sich nur eine vergleichsweise billige Wohnung leisten können, die Mieten weiter steigen, in den wirklich teuren Wohnungen aber nicht.

Der Vorschlag des Mietervereins, für einzelne Modernisierungen einen Erhöhungsspielraum zu definieren, ist sicher hilfreich. Und auch der Grundsatz, nicht zwischen Wohnlagen zu unterscheiden, ist richtig: Wenn jemand eine Wohnung neu vermietet, dürfte er oder sie nur den festgelegten Höchstsatz nehmen. Selbst in Mitte gäbe es plötzlich wieder bezahlbare Wohnungen auf dem Markt, die Entmischung der Kieze würde so abgebremst.

Mit der Aufweichung des Mietenstopps hat der Mieterverein den MieterschützerInnen unter den Abgeordneten aber keinen Gefallen getan. Es ist jetzt schon abzusehen, dass der Vorschlag in der politischen Debatte gegen Rot-Rot-Grün verwendet wird – als Beleg dafür, dass ein kompletter Mietenstopp aber wirklich gar nicht geht, wenn schon der Mieterverein das so sagt!

Und was noch problematischer ist: Auch KritikerInnen innerhalb der Koalition dürften das dankbar aufgreifen. Auf die Diskussion darf man gespannt sein.

Antje Lang-Lendorff

Macht besser Dealer zu Falafelhändlern

Imbissstände sollen im Görlitzer Park künftig Dealer verdrängen

In Berlin soll ein Falafelstand aufgestellt werden. Das klingt nicht nur nach Kichererbsen, sondern auch nach Reissack, möchte man meinen, aber nein: Es geht um den Görlitzer Park, und bekanntlich bewegt alles, was dieses 14 Hektar große Rasenstück in Kreuzberg betrifft, die halbe Republik. Der Görli hat nicht nur einen infantilen Spitznamen verpasst bekommen, er muss auch als Chiffre herhalten für alles, was in Berlin aus Sicht von Stuttgart-Hedelfingen und Chemnitz-Sonnenberg angeblich schiefläuft.

Jetzt sollen also Falafel- und vielleicht auch Kaffee- und Eisstände an drei Standorten in diesem Park platziert werden, so will es der Bezirk. Nach einer dreimonatigen Testphase soll dann entschieden werden, ob daraus ein dauerhaftes Angebot wird. Laut Bezirkssprecherin geht es dabei lediglich darum, das gastronomische Angebot im Park zu verbessern.

Schon das mag einem nicht ganz einleuchten, denn angesichts der zahlreichen Imbisse und Restaurants rund um den Park muss dort nun wirklich niemand verhungern. Der Parkrat, ein im September 2018 gewähltes Gremium aus AnwohnerInnen und NutzerInnen der Grünanlage, nennt allerdings eine noch abenteuerlichere Begründung für die Maßnahme: Die Essensstände sollen aufgestellt werden, „um die Dominanz des Drogenhandels im Park, insbesondere in den stark frequentierten Eingangsbereichen einzuschränken“, heißt es gleich im ersten Satz einer diesbezüglichen Stellungnahme. So ist auch gleich wieder Aufmerksamkeit garantiert, denn ebenjener Drogenhandel hat dem Görlitzer Park zu seiner überregionalen Bekanntheit verholfen.

Selbstverständlich werden Essensstände nicht den Drogenhandel zurückdrängen, es sei denn, sie bieten ordentlich bezahlte Beschäftigungsverhältnisse für die heutigen Dealer an – aber das ist nicht in Sicht, auch Berlin liegt schließlich in Deutschland und dort ist Lohnarbeit ein Privileg, für das man eine behördliche Erlaubnis in der Tasche haben muss. Wenn überhaupt, ist es ein Kampf um einzelne Quadratmeter, nämlich jene, auf denen dann der Stand stehen wird und folglich kein Dealer mehr stehen kann.

Dieses Gezerre um Quadratmeter auch nur ansatzweise nachzuvollziehen gelingt nur unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um – einige, längst nicht alle – Eingänge des Parks handelt, wo nach These des Parkrats der Drogenhandel „viele Nutzerinnen nervt oder sogar davon abhält, dort in den Park zu gehen“. Nur: Wer an einem Sommertag durch den Görlitzer Park geht oder sich dort sogar niederlassen möchte, kommt kaum umhin, sich über jeden abgehaltenen Nutzer zu freuen. Man fragt sich schon, wie das aussehen soll, wenn der Park noch attraktiver wird.

Und, unterm Strich: Menschen, die einen Park nicht betreten wollen, weil am Eingang schwarze Menschen stehen und möglicherweise ein, zwei Sätze sagen, können gern einfach draußen bleiben. Um aggressiveres Verhalten zu sanktionieren – das seitens der Dealer längst die Ausnahme ist –, gibt es bereits andere Möglichkeiten. Wer ihre reine Anwesenheit, also im Grunde ihre Existenz, als störend empfindet, darf sich gern andere Orte in Berlin suchen. Der sogenannte Mercedes-Benz-Platz beispielsweise bietet viel Raum und ein gastromisches Angebot weit über Falafel hinaus. Malene Gürgen