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Bälle schlagen,Ritter schlagen

Golfprofi Martin Kaymer hat nach Jahren der Krise kein Startrecht mehr für die legendären British Open. Dafür spielt ein junger Amateur: Matthias Schmid

Von Bernd Müllender

Die British Open, das vierte und letzte der vier großen Major-Turniere, das an diesem Donnerstag im nordirischen Royal Portrush Golf Club beginnt, ist ein sehr besonderes. Es ist nicht nur das älteste Golfturnier weltweit, das für viele ohnehin wichtigste oder für Briten sowieso das einzig wahre, historisch aufgeladen. Auf der Insel wird es nur „The Open“ genannt. Die 148. Ausgabe ist auch ein ganz besonderes Turnier für den deutschen Golfprofi Martin Kaymer. Er nimmt nämlich erstmals seit 2007 nicht daran teil.

Es ist überhaupt das erste Major seit über zehn Jahren, für das sich Kaymer nicht qualifizieren konnte. Weil er, zumindest derzeit, nicht mehr gut genug ist, und das mit 34 Jahren, für Golfer ein ideales Alter.

Acht Wochen lang war Kaymer einmal Erster der Weltrangliste: der beste Golfer auf Erden. 2011 war das – Ältere werden sich erinnern. Kaymer gewann zwei Major-Turniere, 2010 die US Open, 2014 die PGA Championships und mit dem Team Europe dreimal nacheinander den prestigeprallen Ryder Cup gegen die USA, zuletzt im Herbst 2014, als er auch noch den entscheidenden Put zum Sieg einlochte, euphorisch umjubelt. Ein kontinentaler Held. Danach ging es kontinuierlich bergab, fast bis auf Platz 200 der Weltrangliste: Formkrise, Schwungprobleme, fehlendes Zutrauen, eine Abwärtsspirale. Der letzte Turniersieg datiert von 2014. Immerhin, eine Trendwende ist erahnbar: „Das Spiel ist in den letzten Wochen deutlich konstanter geworden“, sagte Kaymer jetzt, „und der Trend zeigt eindeutig nach oben“ – bis auf Rang 86 in dieser Woche.

Die Qualifikationskriterien für die vier jährlichen Major-Treffen der Weltelite sind mannigfaltig. Gemeinhin sind die Vorjahressieger automatisch dabei, meist über fünf Jahre, bei den Masters sogar lebenslang – was dem Veteranen Bernhard Langer, 61, Sieger dort 1985 und 1993, bis heute eine Einladung beschert.

Dazu kommen automatisch die besten 50 der Weltrangliste, sofern nicht schon anderweitig spielberechtigt (siehe oben), die besten Amateure oder Qualifikanten über quälend lange eigene Turnierserien von Korea über Südafrika bis in die Karibik, wo Tausende teilnehmen, aber nur die Besten den großen Joker ziehen. Oder die drei besten Nochnichtqualifizierten der Scottish Open, sofern unter den ersten zehn. Kaymer war 20., zwei Schläge zu viel. „Kein einziger deutscher Profi dabei: Eine ganz dunkle Stunde“, raunt das Golf-Magazin.

Mit Kaymers Absenz hat die Öffentlichkeit die Chance, die garantierten Dramen und Erfolgsspektakel der anderen 156 Teilnehmer bei diesem Weltevent in den Fokus zu rücken. Ist aber kein Deutscher dabei, geht das Interesse gegen null, überall. Da wird Tiger Woods’Renaissance nur am Rande beachtet oder die Frage, ob die derzeitige Dominanz der US-Golfer anhält. Den US-Amerikaner Xander Schauffele (derzeit Nummer 11 der Welt) mag das deutsche Gemüt auch nicht adoptieren, obwohl er einen deutschen (Zweit-)Pass und einen schwäbischen Vater hat. Schauffele könnte für Deutschland bei Olympia 2020 antreten.

Das geringe Interesse gilt auch für andere Sportarten, etwa Cricket. Da gewann England, vor über 300 Jahren Erfinder des schrulligen Kultspiels in allen Commonwealth-Ländern, am Sonntag im Londoner Lord’s Cricket Ground (eröffnet 1787) erstmals den World Cup. Das Finalduell mit Neuseeland war das beste Cricket-Match aller Zeiten, wie Fachleute übereinstimmend meinten. Der Deutschen Presse-Agentur war das nicht mal eine Meldung wert, kein Wort in FAZ, SZ und der Zeit (wohl aber in dieser Zeitung). Fahrlässig war die Ignoranz, weil der sensationelle Triumph des Old Empire in Brexit-Zeiten mit politischer Bedeutung geradezu aufgeladen wurde. Theresa May hatte auf der Tribüne mitgejauchzt; Boris Johnson will als Regierungschef Kapitän Ben Stokes zum Ritter schlagen.

Eine Hoffnung bleibt Kaymer übrigens noch. Er ist nämlich durchaus wieder die Nummer 1 – auf der Reserveliste im nordirischen Portrush. Er wartet vor Ort

Die Golf-Buchmacher favorisieren wie immer Tiger Woods und den Weltranglistenersten Brooks Koepka, obwohl sich die US-Amerikaner auf den windigen Links-Plätzen voller Dünen und dem hohen Strandhafer an den Seiten traditionell schwertun. Oder triumphiert beim Heimspiel endlich wieder Rory McIlroy, der hier als 16-Jähriger 2005 den bis heute gültigen Platzrekord aufstellte (61 Schläge)?

Eine Hoffnung bleibt Kaymer noch – auf ein plötzliches Virus, auf Hüftschmerzen oder eine malade Hand bei einem der 156 Qualifizierten. Kaymer ist nämlich durchaus wieder die Nummer 1 – auf der Reserveliste in Portrush. Er wartet vor Ort.

Ansonsten wird ein junger Mann allerweltsnamens Matthias Schmid automatisch bester Deutscher. Der 21-Jährige aus Herzogenaurach darf nämlich mittun, weil er überraschend Ende Juni die Amateur-EM gewonnen hat. „Unglaublich, The Open“, staunt er, „das ist surreal, grandios, welch riesige Ehre“. Schmid, aktiv wie so viele Nachwuchsspieler an einem US-College, hofft, seine großen Vorbilder wenigstens auf dem Übungsgelände zu treffen. Dazu gehört Martin Kaymer nicht, es sind Tiger Woods und Rory McIlroy.

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