piwik no script img

Drei diebische Elstern

Max Beckmann schrieb einmal drei Briefe an eine Malerin. Nun haben ihm drei Malerinnen geantwortet: Dana Schutz, Cecily Brown und Ella Kruglyanskaya bei Contemporary Fine Arts

Von Brigitte Werneburg

Cecily Brown nennt KünstlerIn­nen gern Elstern. Der Grund ist einfach, auch wenn man angesichts raumgreifender Video- und Materialinstallationen oder großformatiger Abstraktionen allzu leicht vergisst, dass kopieren, dass berühmte Werke der Kunstgeschichte eigenhändig zu reproduzieren auch heute noch Grundlage künstlerischen Arbeitens ist. Denn das Bild kommt am Vorbild nicht vorbei. Wer misstraute, gerade als visuell spezialisierter Mensch, einem neuen Motiv nicht doch sehr bald als vage erinnertem Bild? Und wer assoziierte nicht einen bestimmten Farbton mit einem Bild, sei’s vom eigenen Garten, einem Kleiderstoff oder einem Gemälde von Peter Doig? Kluge Bilder sind immer auch Kommentar oder Kritik am Vorgefundenen, und manchmal auch dessen Überhöhung.

Dass kanonische Vorbilder, ob etwa Fragonard oder Frances Bacon, immer wieder erkennbar in Cecily Browns Werk hervorblitzen, ist nicht neu. Neu ist nur, dass die in New York lebende britische Malerin zuletzt Max Beckmann für ihre sich in einer heftigen Farbgewitterzone zwischen Figuration und Ab­strak­tion bewegende Malerei entdeckt hat. Anlass genug für ihre langjährige Galeristin Nicole Hackert von Contemporary Fine Arts, die Idee einer Ausstellung mit Arbeiten von Brown und ihrer neuen Inspiration Max Beckmann zu ventilieren.

Eindrucksvoller Vierklang

Der Künstlerin gefiel die Idee, und sie wusste noch gleich zwei weitere Künstlerinnen, die ihr bei diesem, wie sie fand, etwas anmaßenden Projekt beistehen sollten: Dana Schutz und die lettische, in New York lebende Künstlerin Ella Kruglyanskya. Ähnlich wie ihre amerikanische Kollegin ist sie für eine farbenfrohe figurative ­Malerei bekannt, die im Fall von Kruglyanskya gern zur Parodie oder zum Sarkasmus neigt, bei Schutz dagegen, oft von einem düsteren Humor grundiert, ins Skurrile oder Makabre driftet.

Ihr aller Auftritt auf den zwei Etagen der Galerie ist ein eindrucksvoller Vierklang. Während Brown in ihren Gemälden hintergründig mit Beckmann argumentiert, ist Schutz’ Hinwendung zu Beckmann ganz unverstellt, so wie sie – Beckmann gleich – ihren Bildraum mit hybridem Personal vollpackt und schwarz auf weiß bittere Por­träts radiert.

Kruglyanskya wiederum scheint mit dem Meister aus Deutschland eher zu scherzen. In ihrer Paraphrase seines „Traums“ (1944) aus der Sammlung Döpfner wendet sie seinen schwarzen Strich mit klugem Witz gegen ihn. Weswegen das üppige, ehemals nackte ­Modell nun im Yoga-Outfit bequem auf einem rosafarbenen Sitz­sackpenis ruht, der Beckmanns kräftige Malerfigur vertritt.

Und der junge Beckmann selbst, schaut er jetzt aus ­seinen vielen Selbstporträts diesem Treiben nicht verwundert zu?

Sieht er nicht auch in Cecily Browns „Return of the Night Terrors“ (2019) den schönen nackten Jungenrücken aus seinem „Argonauten“-Triptychon (1950) hervorschimmern? 2012 studierte die Künstlerin in einer Reihe von Zeichnungen die Bewegung von Beckmanns Figuren, darunter auch Jason und Orpheus. Seine dicht gedrängten Körper übersetzt Brown in barocke Farbstrudel und treibt damit deren narrative Gegenständlichkeit in eine vielfarbige, dabei von Beckmanns melancholischer Schwärze grundierte Abstraktion.

Und apropos Ein­kauf: Die Preise, die die Künstlerinnen auf Auktionen erzielen, sind hoch, im Fall von Brown (3,6 Millionen Dollar) höher als die für Beckmann (2,5 Millionen Dollar)

Eine Malerin adressiert?

Dana Schutz nun liebt genau diesen Aspekt an Beckmanns Malerei: „In letzter Zeit habe ich die komplett vertikalen, überfüllten Kompositionen Max Beckmanns betrachtet. Sie sind unglaublich – wie viele narrative Informationen er dort hineinpacken kann“, wird sie im Katalog zur Ausstellung zitiert. Und so stopft auch sie in „Mid-Day“ (2019) ihr Boot voll. Mit seiner runden, kurzen Form schaut es aus wie ein Einkaufskorb, verführerisch bestückt mit beckmanneskem Personal, einer schicken Nackten, einem Schnabelwesen und einem grauen Fischkopf, alle von Schutz’ auf unnachahmlicheWeise aus der Farbtube dick auf die Leinwand gedrückt.

Und apropos Einkauf: Die Preise, die die Künstlerinnen auf Auktionen erzielen sind hoch, im Fall von Brown (3,6 Millionen Dollar) höher als die für Beckmann (2,5 MillionenDollar), entsprechend hoch sind auch ihre Preise in der Galerie. Das müsste einen wiedergeborenen Beckmann noch mehr überraschen als die Verwandlungen, die seine Motive in der Malerei von Schutz, Brown und Kruglyanskaya erfahren.

„Drei Briefe an eine Malerin“ verfasste er 1948, voll kluger Anmerkungen zur Malerei und zur Kunst wie „Zeit ist eine Erfindung der Menschen, Raum ist der Palast der Götter“. Aber hat er sie wirklich an eine Malerin adressiert? Ohne auch nur einen Gedanken an deren prekäre Stellung im Kunstbetrieb – Alice Neel überlebte zur gleichen Zeit dank Sozialhilfe – zu verschwenden?

CFA, Grolmanstraße 32/33, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 13. Juli

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen