: Frieden für die Unruheprovinz Aceh
In der finnischen Hauptstadt Helsinki schließen Indonesiens Regierung und die Rebellen der GAM nach mehrmonatigen Verhandlungen ein Abkommen. Es sieht die Entwaffnung der Kämpfer sowie einen schrittweisen Abzug des Militärs vor
VON NICOLA GLASS
Zumindest auf dem Papier ist der Frieden für die indonesische Unruheprovinz jetzt perfekt: Mit der gestern unterzeichneten Vereinbarung ziehen Regierung und Rebellen einen Schlussstrich unter fast 30 Jahre Gewalt in Aceh. Zustande gekommen war das Abkommen auf Vermittlung des finnischen Expräsidenten Martti Athisaari. Gleich zu Beginn der Gespräche Anfang dieses Jahres hatte die „Bewegung Freies Aceh“ (GAM) auf ihre jahrzehntelange Forderung nach Unabhängigkeit der Provinz verzichtet.
An der Zeremonie in Helsinki nahmen Indonesiens Justizminister Hamid Awaluddin sowie der im schwedischen Exil lebende GAM-Chef Malik Mahmud teil. „Die dunklen Tage liegen hinter uns“, zeigte sich dieser anschließend zuversichtlich. Via Bildschirm hatten mehrere tausend Menschen vor der großen Moschee in der Provinzhauptstadt Banda Aceh die Unterzeichnung des Abkommens verfolgt.
Rund 200 unbewaffnete Beobachter der EU und der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean sollen die Einhaltung des Friedensabkommens überwachen. Die Vereinbarung sieht die Entwaffnung der GAM sowie einen schrittweisen Abzug des indonesischen Militärs vor. Zudem verpflichtet sich Indonesien, die Integration der GAM in die Zivilgesellschaft zu regeln, und zwar durch eine Amnestie für Unabhängigkeitskämpfer und politische Gefangene. Darüber hinaus soll die Bewegungsfreiheit der Soldaten eingeschränkt werden. Dies würde bedeuten, dass sich Indonesiens Militär ohne Wissen der ausländischen Beobachter nicht in größeren Gruppen in der Provinz bewegen darf. Dies aber ist umstritten: Allein die Tatsache, dass auch westliche Ausländer den Friedensprozess überwachen sollen, hat bereits scharfe Kritik seitens konservativer Politiker und Armeechefs in Indonesien hervorgerufen.
Größter Knackpunkt des Abkommens war die Forderung der GAM, eine eigene Partei bilden zu dürfen. Diesen Vorstoß hatte die Regierung zunächst vehement abgeblockt: Präsident Susilo Bambang Yudhoyono pochte darauf, dass das Parteiensystem ein „nationales“ sei: Demnach müssen alle Parteien ihren Sitz in Jakarta haben und mindestens in der Hälfte der 33 indonesischen Provinzen vertreten sein. Erst zum Schluss der fünften und letzten Verhandlungsrunde hatte Jakarta Kompromissbereitschaft signalisiert und die Bildung einer Regionalpartei zugesagt, was eine Verfassungsänderung erfordert.
Fraglich bleibt, ob Militärs und die GAM vor Ort bereit sein werden, sich den im fernen Helsinki ausgehandelten Abkommen zu unterwerfen. Doch scheint der Frieden jetzt greifbarer als je zuvor. Eine vom Schweizer Henri-Dunant-Zentrum initiierte Vereinbarung zwischen GAM und Regierung vom Dezember 2002 war nach knapp fünf Monaten gescheitert. Die Rebellen hatten jenen Vertrag in Genf unterschrieben, obwohl sie weiter auf Unabhängigkeit pochten und den im Abkommen festgelegten Autonomiestatus prinzipiell ablehnten. Hinzu kam, dass die Hardliner auf beiden Seiten kein Interesse an einer Entmilitarisierung Acehs hatten.
Seit 1976 hatte die GAM für einen unabhängigen Staat gekämpft. Wirtschaftliche Ausbeutung und die Unterdrückung durch Indonesiens Militär gelten als Hauptgründe für den jahrzehntelangen blutigen Konflikt, in dem bis zu bis zu 15.000 Menschen starben. Die Verhandlungen zum jüngsten Friedensabkommen in Helsinki waren im Januar aufgenommen worden, einen Monat nach der Tsunami-Katastrophe, bei der allein in Aceh bis zu 170.000 Menschen umkamen oder noch als vermisst gelten.
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