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Archiv-Artikel

Vogelgrippe hat den Ural erreicht

Impfstoffwerk in Dresden: Pharmagigant profitiert von Subventionen und weltweiter Sorge vor Grippe-Epidemien

BERLIN taz ■ Bundeskanzler Schröder machte gestern symbolisch Standortpolitik: Er stach den ersten Spaten für ein Impfstoffwerk in den Boden der Sachsen-Kapitale. Vis-a-vis der neuen Dresdner Synagoge will Glaxo-SmithKline – Europas größter Pharmakonzern – 94,3 Millionen Euro bis 2008 investieren.

Die Standort-Entscheidung kommt nicht von ungefähr: 1992 übernahm die britische Glaxo-SmithKline das Sächsische Serum-Werk von der Treuhand und damit etliche Produktrechte und Patente. Seitdem ist Dresden als Unternehmenszweig „Biologische Präparate“ weltweit alleiniger Glaxo-Entwickler und -Hersteller von Grippeimpfstoffen. Über 65 Millionen Euro wurden investiert, der Umsatz mehr als verzehnfacht.

In Dresden werden derzeit Impfstoffe gegen „normale Influenza“ hergestellt und in Deutschland unter dem Namen Influ-Split vertrieben. Gleichzeitig wird in fast 100 Länder exportiert; die Produktion soll sich von derzeit 30 auf 60 Millionen Dosen verdoppeln.

„170 neue Stellen sind in Dresden geplant“, sagte Deutschland-Geschäftsführer Thomas Werner. Aktuell arbeiten im Serumwerk über 400 Menschen. Bis zu 28 Prozent der 94,3 Millionen Euro Investition werden von der Ostförderung beigesteuert, was bei der Standortentscheidung zwar „ein wichtiger Punkt, aber nicht der entscheidende war“, so PR-Manager Tobias Viering: Man habe sich „ganz klar wegen der bestehenden guten Arbeitsleistungen im Werk“ entschieden. Dresden habe „tolles Potenzial“. Zudem sei der Genehmigungsweg „sehr schnell“ gewesen.

Vielleicht ist die Produktion normaler Impfstoffe gegen die Grippe nur vorläufig: „Sollte die Weltgesundheitsorganisation aber einen weltweiten Bekämpfungsplan der Vogelgrippe beschließen, könnte sofort auf den pandemischen Impfstoff umgestellt werden“, so Viering.

Erst gestern sperrte die russische Regierung Gebiete in der Industrieregion Tscheljabinsk. Hier, am Ural, war bei Vögeln erstmals die Vogelgrippe nachgewiesen worden – jene Seuche, die aus Asien kommt.

Die Weltgesundheitsorganisation hatte im Frühjahr vor Epidemien mit Millionen Toten gewarnt, das Bundesverbraucherministerium gestern mehr Kontrollen gegen illegale Vogelimporte angekündigt. Und die EU plant ein einheitliche Einfuhrverbot für lebende Vögel und Federn aus den betroffenen Regionen. Staatssekretär Alexander Müller: „Es gibt ein gewisses Risiko, dass sich das Virus sukzessive Europa nähert.“ NICK REIMER