: Ein unbequemer Mitarbeiter
ARBEITSRECHT Kündigung unwirksam – der Betroffene ist seinen Job dennoch los
Arbeitsrechtsanwalt Rolf Geffken
Es gibt Menschen, die bekommen Recht, und sind dennoch die Verlierer. So ergeht es zur Zeit Muharrem D. Zwar erklärte die Hamburger Arbeitsrichterin Elke Mascow die Kündigung durch die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt für unwirksam, löste aber gleichzeitig das Arbeitsverhältnis wegen Zerrüttung auf. „Das Urteil ist von vorne bis hinten unhaltbar“, schimpft D.‘s Anwalt Rolf Geffken.
Muharrem D. ist bei seinen Vorgesetzten nicht sehr beliebt. „Ich habe mehrere Abmahnungen bekommen“, sagt der 34-jährige Handwerker. Die hätten aber alle wieder aus der Personalakte entfernt werden müssen. Kernpunkt des aktuellen Konfliktes ist eine Dienstanweisung. „Ich sollte elektrische Geräte prüfen, doch ich konnte die Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht machen.“ Der schwerbehinderte Familienvater legte ein ärztliches Attest vor und schaltete seinen Anwalt Geffken ein. Deshalb ist es zum Streit mit seinen Vorgesetzten gekommen, wobei D. gesagt haben soll: „Ich bringe das Geschwür zum Platzen.“ Das bestreitet er gegenüber der taz jedoch: „Die Aussage habe ich so nie gemacht.“
Daraufhin erhielt D. nach 15 Jahren Tätigkeit in der nunmehr von Grünen geführten Baubehörde die fristlose Kündigung. „Ihr Verhalten kennzeichnet sich dadurch, dass sie solche in einem Beschäftigungsverhältnis typischen Vorgänge zum Anlass nehmen, sich bei den unterschiedlichsten Stellen im Haus zu beschweren“, heißt es. „Besonderes Gewicht kommt dabei den grundlosen Beschwerden über vermeintliche Pflichtverletzungen Ihrer Vorgesetzten zu.“
In der Verhandlung gibt der betroffene Vorgesetzte jedoch zu, Muharrem D. vorher selbst als „Arschloch“ bezeichnet zu haben. Arbeitsrichterin Mascow hielt daher die Kündigung für nicht gerechtfertigt, sah jedoch eine „den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit“ nicht mehr als möglich an und löste das Arbeitsverhältnis auf. Sie betonte in ihrem Urteil, dass sich D. einerseits gegen das Verhalten verschiedener Mitarbeiter „zu Wehr gesetzt“ habe, andererseits „wiederholt unangemessene Forderungen“ erhoben habe.
Mascow bezieht sich bei der Zerrüttung des Verhältnisses zwischen D. und der Behörde auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes. „Aber da ging es um ein Büro in einer Kirchengemeinde, in dem nur zehn Mitarbeiter beschäftigt waren“, kritisiert Anwalt Geffken. Beim öffentlichen Dienst der Stadt Hamburg handele es sich dagegen um den größten Arbeitgeber Norddeutschlands mit 100.000 Beschäftigten, sagt Geffken. Mangelnde Bereitschaft einiger Vorgesetzter „kann niemals ein Grund für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses sein“.
Geffken verweist auch auf Paragraf 612a Bürgerliches Gesetzbuch: „Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“ Zudem rügt der Anwalt, dass bisher versäumt worden sei, den Konflikt durch eine Mediation oder Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz zu entschärfen.
Wenn eine Behörde mit solchen Methoden einen Präzedenzfall schaffe, würden solche Tricks auch bald in der Privatwirtschaft angewandt, sagt Muhharrem D. Vor Gericht hat er Berufung eingelegt. Inzwischen hat sein Anwalt eine Petition an die Bürgerschaft gestellt, „um die rechtswidrige Entlassung eines langjährigen Mitarbeiters wegen Wahrnehmung von Rechten“ abzuwenden. KAI VON APPEN