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Archiv-Artikel

Kind ohne Schulplatz

Zwölfjähriger wusste nach Ferienende nicht, auf welche Schule er kommt – Gymnasium schob ihn ab. Probleme auch an Grundschulen

von Kaija Kutter

Für den Sohn von Astrid Kiendl begann die Schule erst gestern. Nachdem das Albrecht-Thaer-Gymnasium die Eltern zu spät informiert hatte, dass er nach der 6. Klasse die Schule verlassen solle, blieb die Frage, ob und wo er einen Platz bekommt, acht Wochen lang in der Schwebe. „Unser Kind wurde schlicht vergessen“, sagt die vierfache Mutter.

Ihr Sohn sei nicht dumm, aber faul gewesen, was auch die Gymnasiallehrer bestätigten. Als sie Anfang Juni nach der Zeugniskonferenz per Telefon die Hiobsbotschaft erhielt, habe sie gefagt, ob ihr Sohn die Klasse wiederholen könne. „Statt einer Antwort erhielten wir am 20. Juni einen Anmeldebogen für die Realschule, auf dem die Option einer Wiederholung kommentarlos durchgestrichen war“, erzählt Kiendl. Ihr Problem: Für die Anmeldung an einer neuen Schule war es zu dem Zeitpunkt eigentlich schon zu spät, die Frist laut Formular am 15. Juni abgelaufen. Ihre Wunschschule, die Ida-Ehre-Gesamtschule in Eimsbüttel, ließ denn auch mitteilen, dass alles voll sei und sie keine Rückläufer aufnehme. Die Eltern meldeten ihren Sohn daraufhin an der Haupt- und Realschule Sachsenweg an, um dann einen Anruf von der Nachbarschule Sportplatzring zu bekommen, ihr Kind solle selbige besuchen. Kiendl: „Das ist genau die Schule, wo unser Kind nicht hin sollte.“

Von der Schule Sachsenring erfuhr sie, dies sei „von oben“ entschieden worden, sie sollte sich bei einem Mitarbeiter der Behörde beschweren. Dieser erklärte, der Sohn sei gar nicht als Rückläufer gemeldet und versprach, die Sache zu prüfen und sie zu informieren. Kiendl: „Darauf warten wir noch heute.“

Erst durch Tipps aus dem örtlichen Kreiselternrat erfuhren die Kiendls, dass es Schulräte gibt, die auch eine telefonische Sprechstunde haben. Dort lernten die Eltern, wie sie „Einspruch“ gegen die Schulzuweisung einlegen könnten. Doch auch dort hieß es, die übrigen Schulen seien voll.

„Mein Sohn sitzt zu Hause. Seine Freunde und Geschwister gehen zur Schule, und für ihn ist kein Platz“, schrieb die Mutter schließlich am Donnerstag und stellte einen Hilferuf ins Elternforum im Internet. Der wirkte – irgendwie. Am Freitagmorgen erhielt Kiendl den Anruf, dass die Ida-Ehre-Gesamtschule das Kind doch aufnehme. „Ich bin glücklich“, sagt Kiendl nun. „Aber was ist mit Eltern, die sich nicht wehren?“

Sie nehme in diesem Jahr 18 Rückläufer auf und sei dazu auch verpflichtet, erklärt die Leiterin der Ida-Ehre-Schule, Christa Carl. Allerdings dürfte die Schule von sich aus nur 28 Plätze pro Klasse vergeben. Weil zufällig ein Kind weggezogen sei, handele es sich beim Kiendl-Sohn nun um das 28. Kind einer Klasse.

„Die Klassen sind so voll. Es ist für Eltern ein Spießrutenlauf, eine Schule zu finden“, erklärt die SPD-Politikerin Sabine Boeddinghaus, die zum Thema eine Senatsanfrage stellte. So müssten in Harburg Grundschulen Eltern mit ihren Kindern wegschicken, weil die Behörde keine zusätzlichen Klassen erlaube.