: Anglizismen sind ein No-Go
KOMMUNISMUS Vom Sommerfest der DKP bleibt vor allem ein Eindruck hängen: Irgendwie sind es immer die falschen Leute, die die richtigen Ideen durchsetzen wollen
VON JURI STERNBURG
„Sommer, Sonne, Sozialismus“ liest man bereits von Weitem. Es wäre untertrieben zu behaupten, dass dieses Motto die Erwartungen nicht erfüllt. Dieses Motto entbehrt schlicht und ergreifend jeder Grundlage. Nicht nur, dass es in Strömen regnet und der Sommer seine besten Tage bereits hinter sich hat – auch den Sozialismus müsste man wahrscheinlich gänzlich beerdigen, zumindest wenn die wenigen in die Jahre gekommenen Anwesenden diesen durchsetzen sollen.
Sommerfeste von Parteien sind generell fragwürdig, so viel ist klar. Natürlich haben sie ihre Vorzüge – so gibt es beim Sommerfest der DKP in der Neuköllner Jonasstraße zum Beispiel Waffeln für einen sehr schmalen Taler. Sobald es jedoch ans Eingemachte, sprich an die Rumbowle geht, hat die Medaille bereits zwei Seiten: Die Bowle wurde aus Dosensäften produziert und schmeckt definitiv nicht nach dem versprochenen „Sommerfeeling“. „Anglizismen sind ein No-Go!“, stellt jemand fest und wundert sich über mein hysterisches Gekicher. Der Bowleverkäufer ignoriert die Aussage schlichtweg.
„Warum aber auch immer die falschen Leute die richtigen Ideen durchsetzen wollen“, poltert ein Gast, während er seinen Hackenporsche durchs überschaubare Getümmel zwängt. Theoretisch möchte man ihm gratulieren, die Hand schütteln und eine dieser günstigen Waffeln ausgeben, schließlich hat er recht.
Doch jemand anderes kommt mir zuvor und drückt dem greisen Anwohner den aktuellen „Aufruf des Politbüros des ZK der Kommunistischen Partei Griechenlands“, kurz KKE genannt, in die Hand. Seinem verwirrten Blick entnimmt man: Mit einem Skatebord und der aktuellen CD der Pussy Riots wäre der Herr noch besser bedient. Der ein oder andere radikale Anarchist verurteilt die KKE aufgrund ihrer Spalterqualitäten zwar sowieso, aber ich selbst bin eindeutig zu erschöpft, um mich als selbiger zu outen.
Der Hans-Beimler-Chor wird erwartet, aber wie es eben so ist mit den Stars, man muss geduldig sein. Deswegen wird ein venezolanisches Gesangsduo vorgezogen. Als die beiden fertig sind und jemand „Zugabe“ ruft, ist ihnen die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. „Darauf sind wir nicht vorbereitet“, schallt es von der Bühne. Jeder, der sich noch nicht längere Zeit am Bowle-Stand aufgehalten hat, müsste erkennen, dass damit soeben das eigentliche Motto der Veranstaltung verkündet wurde. In einer Welt, in der nur die Gegenwart zählt, gibt es nichts Vergänglicheres als Erfolg. Also wird noch mal der erste Song wiederholt. Wieder einmal: „Venceremos, venceremos!“
Es folgt eine Diskussion über die S-Bahn. Selbst die Hartgesottenen erkennen, dass dieses Thema wenig Potenzial zur engagierten Diskussion bietet, und wenden sich den anderen Ständen zu. Am Bücherstand gibt es die üblichen Werke von A wie Angela Davis bis Z wie Clara Zetkin. Allein Harry Belafontes Autobiografie verwundert – aber wahrscheinlich hat auch dieses Buch seine Daseinsberechtigung, schließlich hat Belafonte viele unerwartete Themen abgedeckt. So ist er unter anderem für die großflächige Verbreitung von Graffiti in Deutschland verantwortlich, da er als Produzent des ersten New Yorker Kultfilms in diesem Milieu fungierte. Diese Information scheint den Buchhändler allerdings nicht vom Hocker zu hauen. Eigentlich warte ich immer noch auf den Hans-Beimler-Chor, auch wenn dieser sich in der Vergangenheit durch die Interpretation von Grönemeyer-Songs zumindest teildisqualifiziert hat.
Überraschenderweise hängen jede Menge Hugo-Chávez-Porträts an den Ständen. Das mag zuerst durchaus logisch erscheinen – schließlich hat Chávez das Potenzial, ein zweiter Fidel Castro zu werden, auch wenn er keinen kongenialen Revolutionär an seiner Seite hat, den er später als Marketingobjekt benutzen kann. Aber spätestens am vierten Stand fragt man sich doch, warum nun ausgerechnet er die Kohlen aus dem Feuer holen soll. Die beiden „Venceremos“-Mädchen auf der Bühne können das mit Sicherheit ähnlich gut.
Es bleibt die Gewissheit, auf der richtigen Veranstaltung gewesen zu sein, durchgeführt von den falschen Personen. Man wäre bereits dankbar, wenn sie es schaffen würden, interessante Menschen wenigstens zu imitieren.