: „Die linken Grünen waren einfach zu brav“
Monika Knoche war Mitbegründerin der Grünen und bis 2002 Gesundheitsexpertin der Fraktion im Bundestag. Jetzt kandidiert sie für die Linkspartei. Und hofft, dass daraus mehr wird als ein Bündnis von PDS und frustrierten SPDlern
taz: Frau Knoche, als „umfassendes Mobbing“ bezeichneten Sie noch vor sechs Jahren die Meldung, Sie seien eine mögliche Wechselkandidatin von den Grünen zur PDS …
Monika Knoche: Ja, das stimmt.
Nun kandidieren Sie für die Linkspartei zum Bundestag. Warum hat der Spiegel jetzt doch noch Recht bekommen?
Hat er nicht. Ich bin als Parteilose von der Landesversammlung der Linkspartei in Sachsen aufgestellt worden.
Was versprechen Sie sich von Ihrer Kandidatur?
Ich hoffe, dass vielen, die den Grünen auch mittlerweile kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, mein Verhalten einen Anstoß geben kann für ihr Wahlverhalten im September.
Sie haben die Grünen 1979 mitgegründet. Wie schwer ist Ihnen der Abschied gefallen?
Als Gründungsgrüne habe ich maßgeblich dazu beigetragen, diese Partei politikfähig zu machen und zu etablieren. Da ist Lebenszeit und Identität mit verbunden. Es war ein eher schleichender Ablösungsprozess, der bereits 1994 eingesetzt hat. Damals begann in der Bundestagsfraktion der Wechsel weg von einer sozialökologischen hin zu einer mehr neoliberalen Politik. Trotzdem habe ich damals noch Spielräume für mich gesehen. Doch die wurden nach dem Regierungseintritt 1998 immer enger. Denn damit verbunden war die von der grünen Spitze betriebene Unterstützung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen Jugoslawien.
Aber wieso haben Sie erst jetzt die Grünen verlassen – und nicht bereits damals?
Weil ich ein Mandat hatte als Abgeordnete der Grünen. Ich bin von den WählerInnen dieser Partei gewählt worden und wollte keinen Mandatsklau betreiben. In dieser Frage bin ich sehr konservativ. Ich wollte meinen Wählerauftrag erfüllen, und das habe ich auch gemacht.
Und das, obwohl Sie sich einem „Klima der systematischen Denunziation“ in der grünen Fraktion ausgesetzt fühlten, wie Sie seinerzeit meinten?
Das halte ich nach wie vor für die treffende Beschreibung. Die schlimmste Zeit war die Erpressungssituation, als Schröder die Vertrauensfrage stellte, um die sozialdemokratischen und grünen Abgeordneten zur Unterstützung des Afghanistankriegs zu zwingen. Das war für mich die emotional härteste Phase, weil ich ja zu den acht grünen VerweigerInnen dieser Kriegspolitik zählte. Eigentlich habe ich da bereits meine innere Trennung von den Grünen vollzogen. Von daher fiel mir jetzt der Austritt nicht mehr sonderlich schwer.
Gehörten Sie nicht zu jenen vier „AbweichlerInnen“, die Schröder dann doch das Vertrauen aussprachen?
Das ist richtig. Aber wir konnten damals die Frage „Kriegsbeteiligung ja oder nein?“ nicht mehr entscheiden. Denn dafür gab es eine klare Mehrheit von über 90 Prozent im Parlament. Es ging alleine um den Fortbestand der Koalition – und zu Neuwahlen waren die Grünen nicht bereit. Im Nachhinein muss ich sagen, dass die Entscheidung ein Fehler war. Wir Linken in den Grünen waren zu brav, zu harmlos – einfach zu wenig machtbewusst. Der Missbrauch der Menschenrechte zur Legitimation der rot-grünen Kriegspolitik durch Fischer & Co. hätte die antimilitaristische Linke zu einer wesentlich klareren Konfrontation bringen müssen gegen diese AgitatorInnen, denen es in Wahrheit doch nur um knallharte Interessenpolitik ging. Doch das wurde nicht gemacht. So erschienen die KriegsgegnerInnen nach außen als etwas unbedarfte Friedenstauben.
Die Linken in den Grünen sind daran gescheitert, dass sie zu brav waren?
Ja, der eine Teil schon. Der andere hat sich im Establishment eingerichtet.
Warum sind Sie nicht nach Ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2002 ausgetreten?
Weil sich damals noch keine politische Perspektive für mich gezeigt hat. Die sehe ich jetzt. Die neue Linkspartei birgt die Chance, dass das links-alternative Spektrum, das heute keinen Platz mehr in dem rot-grünen Projekt findet, eine Perspektive bekommt. Deshalb will ich hier gerne meinen Ansatz einer emanzipatorischen, undogmatischen Politik einbringen, den ich bei den Grünen einmal gelernt habe.
Fürchten Sie nicht, dass Ihnen mit der Linkspartei Ähnliches widerfahren kann wie in den Grünen?
Nun, ich bin ein konflikterprobter Mensch. Aber im Ernst: Es wird darauf ankommen, ob hier tatsächlich etwas Neues entsteht. Ein Projekt, in dem sich nur die alte PDS mit einigen frustrierten Gewerkschaftern zusammenfindet, wäre mir wirklich zu wenig. Deshalb war für mich ja auch die WASG nicht interessant, obwohl ich als Gewerkschaftssekretärin beim Ver.di-Bundesvorstand arbeite. Entscheidend wird sein, dass sich auch das, was als neue soziale Bewegung nach 68 in Westdeutschland entstanden ist, in dieser neuen Partei tradiert.
Danach sieht es gegenwärtig nicht aus.
Das stimmt. Auch wenn Lafontaine und Gysi hervorragende Leute sind und diese Personalisierung derzeit wohl unabdingbar ist. Tatsächlich strahlt das Projekt Linkspartei gerade auf linke Frauen und Feministinnen noch zu wenig Attraktivität aus. Aber ich setze auf die neue Bundestagsfraktion, die die Vielgestaltigkeit sowohl des personellen als auch des inhaltlichen Spektrums zeigen wird.
Glauben Sie, dass noch andere Grüne Ihnen folgen werden?
Es gibt viele, die sich für die Linkspartei interessieren. Ich bin im Gespräch mit etlichen, die früher Landtags-, Bundestags- oder Europamandate innehatten. Manche von ihnen haben allerdings bereits weit vor mir die grüne Partei verlassen. Die Potenziale sind da längst noch nicht ausgeschöpft.
INTERVIEW: PASCAL BEUCKER