„Wenn wir nur das links nennen, was wir unterstützen und wertschätzen, sind wir außerstande, die irritierende Welt zu beschreiben und mit ihr zu streiten“

ADORNO-PREIS Die Gendertheoretikerin Judith Butler erklärt in der taz ihre israelkritischen Äußerungen und ihre Position zu Hamas und Hisbollah. Nicht alles, was sie als links bezeichne, müsse sie auch gutheißen

BERLIN taz | Kurz vor Verleihung des Theodor-W.-Adorno-Preises hat die Gender- und Queertheoretikerin Judith Butler den Vorwurf zurückgewiesen, sie verharmlose die palästinensische Hamas und die libanesische Hisbollah. Sie beanspruche keine Nähe zu den beiden Organisationen, schreibt Butler in einem Beitrag für die taz.

Die 1956 geborene US-Amerikanerin bekommt den Preis heute Abend von der Stadt Frankfurt am Main verliehen. Judith Butler wird damit für ihr Lebenswerk geehrt. Mit ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ wurde sie 1990 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Der Theodor-W.-Adorno Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Er wird alle drei Jahre vergeben – und erstmals an eine Frau.

Um die Preisvergabe ist eine lebhafte Kontroverse entstanden. Kritiker werfen Butler vor, sie verharmlose Hamas und Hisbollah. Sie hatte diese beiden islamistisch und antiisraelisch orientierten Organisationen bei einer Diskussion 2006 als „Teil der globalen Linken“ bezeichnet. Stephan Kramer, Sekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, bezeichnete Butler deswegen als „bekennende Israel-Hasserin“, die die Auszeichnung nicht verdient habe. Dem widersprachen Intellektuelle wie Micha Brumlik und Nancy Fraser in einem Aufruf: Butler sei „einer Kultur der Gewaltlosigkeit und Verständigung“ verpflichtet, hieß es darin.

Auch die in Berkeley lehrende Professorin verwahrt sich in ihrem Text gegen die Anfeindungen. Die Verwirrung rühre von der Annahme her, schreibt Butler, sie „hätte gesagt, Antiimperialismus sei als Voraussetzung ausreichend, um der globalen Linken anzugehören“. Antiimperialismus sei jedoch, so Butler, „weit davon entfernt, um auch nur irgendeiner Version von Linkssein zu genügen, die ich gutheißen würde“. Die Situation, in der ihre umstrittenen Äußerungen gefallen waren, beschreibt sie so: „Jemand aus dem Publikum hatte mich gefragt, ob Hamas und Hisbollah zur globalen Linken gehören würden, worauf ich antwortete, dass Antiimperialismus ein Charakteristikum beider Gruppen sei.“ Die Theoretikerin räumt jedoch ein, dass diese Antwort missverständlich gewesen sei. Sie schreibt: „Rückblickend hätte ich den Begriff, der mir aus dem Publikum heraus vorgeschlagen wurde, zurückweisen müssen. Es gibt keine globale Linke, das hätte ich einfach sagen sollen.“ FAN

Gesellschaft + Kultur SEITE 13