: Bewährungsstrafe für Zwangsehe
Amtsgericht verurteilt eine Roma-Frau wegen der Zwangsverheiratung ihrer 13-jährigen Tochter. Vorwurf: schwerer sexueller Missbrauch. Frauensenator Wolf nennt das Urteil ein „positives Signal“
VON RICHARD ROTHER
Es sollte ein Urteil mit Signalwirkung sein: Das Amtsgericht Moabit verurteilte gestern eine 46-jährige Serbin wegen der Zwangsverheiratung ihrer 13-jährigen Tochter zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Das Gericht sprach die Roma-Frau wegen schweren sexuellen Missbrauchs schuldig. Laut Urteil hatte die Frau ihre Tochter im Februar 2001 für 10.000 Euro an die Familie des Bräutigams verkauft. Ihr sei bewusst gewesen, dass es nach der Hochzeit zum Geschlechtsverkehr mit dem 18-jährigen Ehemann komme. Die Straftat der Mutter sei schwer.
Die mittlerweile 18-jährige Tochter lebt heute mit ihrem damaligen Freund zusammen und hat ein Baby. Ihre Mutter habe damals gewusst, dass sie den ausgesuchten Mann nicht wolle, sondern ihren jetzigen Verlobten, so die junge Frau vor Gericht. Nach rund zwei Monaten in der Familie des Ehemannes sei sie ausgerissen, zumal sie nicht mehr zur Schule gehen durfte.
Die Mutter lebt seit knapp 30 Jahren in Deutschland. Sie habe daher gewusst, dass die Verheiratung einer 13-Jährigen hier verboten sei, so das Gericht. Das Gericht milderte die Strafe wegen eingeschränkter Schuldfähigkeit. Die Frau ist laut einem ärztlichen Attest depressiv. Nach eigener Aussage war auch sie zwangsverheiratet worden.
Juristisch gesehen wurde die Mutter nicht wegen Zwangsverheiratung, sondern wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Der Grund: Diese – schwerer zu bestrafende – Tat ist genauer definiert. Zwangsverheiratung ist als Nötigung bereits strafbar, obwohl es keinen eigenen Straftatbestand im Strafgesetzbuch gibt. Nach der Bundestagswahl dürfte dieser aber kommen. Auf Initiative des Landes Berlin hatte der Bundesrat im Juli den Bundestag aufgefordert, einen entsprechenden Straftatbestand einzuführen. Der Strafrahmen soll drei Monate bis zehn Jahre betragen – deutlich mehr als heute. Auch soll der Schutz der Opfer im Zivilrecht verbessert werden: So soll die Frist für einen Antrag auf Aufhebung einer Zwangsehe von einem auf drei Jahre verlängert werden. Allerdings konnte sich Berlin in der Länderkammer nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, für die Opfer von Zwangsehen ausländerrechtliche Verbesserungen zu erzielen.
Die Senatsverwaltungen für Justiz und Frauen begrüßten gestern das Urteil. „Es ist gut, wenn Zwangsverheiratungen bestraft werden“, so die Sprecherin der Justizverwaltung, Juliane Baer-Henney. Gerade wegen der vielen Fälle in Berlin sei es wichtig, den Straftatbestand der Zwangsverheiratung einzuführen. Frauensenator Harald Wolf (Linkspartei) sagte: „Das Urteil ist ein positives Signal gegen Zwangsverheiratungen.“ Es könne auch eine Ermunterung für betroffene Frauen und Mädchen sein, eine Beratungsstelle aufzusuchen.