berliner szenen
: Wie schafft man das bitte?

Mit dir könnte ich nie zusammen sein.“ S9 nach Spandau, viel zu früh am Sonntagmorgen. Auswärtsspiele können eine Hürde für noch so engagierte Freizeitfußballerinnen sein. Fehlten nur diese sympathischen ersten an mich gerichteten Worte des Tages. „Ja, eh, schade?“

Ich schaue rüber: blonde Haare, lange Beine, bisschen verpenntes Gesicht: mein redseliger Sitznachbar. „Na wegen deiner Kopfhörer. Wie kann man das aushalten, so verknotet damit Musik zu hören?“ Ich schaue auf meine Brust, wo meine Kopfhörer einsatzbereit um den Hals baumeln. „Und wo du die gerade aus deiner Tasche geholt hast und erst mal mit zwei anderen Paaren auseinanderfummeln musstest. Wie schafft man das bitte?“

Der blonde Typ redet sich in Rage. „Es gibt eine so leichte Art, Kopfhörer zu wickeln, dieses Knotenchaos ist komplett unnötig.“ Ich bin versucht zu fragen, ob er bald fertig sei, will ihm seinen ersten Kurzvortrag des Tages aber nicht vermiesen. „Soll ich dir das eben zeigen?“ Er deutet auf meine Tasche. Missbilligender Blick: „Du hast da ja noch mindestens zwei Exemplare drin.“

Ich krame lustlos die verknoteten Kopfhörer heraus und frage mich, wie lange diese Interaktion noch weitergehen wird, ohne dass ich ein Wort sprechen muss. Während der blonde Mann neben mir konzentriert meine Ohrstöpsel entknotet, nippe ich an meinem Kaffee. Interessante Wendung dieser davor so ereignislosen S-Bahn-Fahrt. „So, ganz einfach zusammenwickeln und dann easy in die Tasche packen.“ Der Typ ist fertig, schaut zufrieden auf sein Werk und reicht mir meine Kopfhörer. Ich kann mich gerade noch davon abhalten, „Danke“ zu sagen, war doch schon viel Mansplaining am frühen Sonntagmorgen. „Gern geschehen“, sage ich. Die Nummern tauschen wir nicht aus.

Linda Gerner