: Ein Anruf von oben
GERICHT Die Kieler Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) wehrt sich gegen Vorwurf der Einflussnahme
Schleswig-Holsteins Justizministerin Anke Spoorendonk hat den Verdacht zurückgewiesen, ihre Mitarbeiter hätten das Amtsgericht Neumünster im Fall eines Sexualstraftäters unter Druck gesetzt oder dies versucht. Vor dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtags bestätigte die SSW-Politikerin zwar Anrufe eines Abteilungsleiters ihres Ministeriums bei dem Gericht. Das Ressort habe aber keinen Einfluss auf die Entscheidung des Amtsgerichts genommen, die Observation eines Sexualstraftäters zu verlängern.
Der Mann aus Neumünster wird seit April von der Polizei beobachtet. Er saß wegen Missbrauchs von 99 Jungen neun Jahre in Haft und lebt unweit eines Kindergartens. Er wurde wegen Verstoßes gegen richterliche Auflagen zu vier Monaten Haft verurteilt, weil er sich wieder Kindern genähert hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Dem Ministerium zufolge hatten die Anrufe das Ziel, sich über den Sachstand des Falls zu informieren. Die zuständige Amtsrichterin hatte die Observation des Mannes zunächst nicht verlängert und zuvor auf einer Anhörung bestanden. Diese sollte nach einer Woche stattfinden. Vor diesem Hintergrund kamen in Neumünster Ängste von Eltern auf.
Nach Telefonaten des Abteilungsleiters aus dem Ministerium mit dem Direktor des Amtsgerichts verlängerte dieser in Abwesenheit der für den Fall zuständigen Richterin die Observation des Mannes bis Ende Oktober. Nach Spoorendonks Worten sah sich der Direktor des Amtsgerichts aus Kiel nicht unter Druck gesetzt.
Aus Sicht von FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatte der entsprechende Anruf aus Kiel nur den Zweck, die gewollte Richterentscheidung herbeizuführen. Für ihn habe die Ministerin den Verdacht der Einflussnahme ihres Hauses nicht ausgeräumt. „Selbst in bester Absicht darf sich das Justizministerium nicht unmittelbar an ein örtliches Gericht wenden, das sich gerade in einem Entscheidungsprozess befindet“, erklärte Wilfried Kellermann, der Vorsitzender des Richterverbands Schleswig-Holstein. (dpa)