LESERINNENBRIEFE
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Umstieg ins andere Milieu

■ betr.: „Lieber erst einmal eine Lehre“, taz vom 11. 9. 12

Nur wenige Arbeiterkinder studieren. Die taz-Berichterstattung impliziert, dass es anders sein sollte. Ich unterrichte Abiturklassen und bin an der Schnittstelle, an der ich ganz konkret zum Studium zu- oder davon abraten kann. Ich habe Hemmungen, grundsätzlich zuzuraten. Studium und Berufstätigkeit in Akademikerkreisen bedeuten, dass man sich von seiner Herkunftsfamilie unweigerlich entfernt. Es bedeutet auch, dass man sich in ungewohnten Kreisen durchsetzen muss, in denen sich die Kinder der bildungsnahen Schichten mühelos bewegen. Vielleicht ist für meine Schülerin eine Berufstätigkeit als Mechatronikerin zufriedenstellender.

Sollte das Ziel nicht eher darin bestehen, dass nicht-akademische Tätigkeiten genauso wertgeschätzt werden wie akademische. Es ist doch nicht unbedingt ein Problem, wenn sich Kinder ähnliche Berufe suchen wie ihre Eltern. Zum Problem wird es erst, wenn es um Machtfragen geht und die verschiedenen Milieus einander verachten. Um der gesellschaftlichen Spaltung entgegenzuwirken, halte ich die Förderung von Gemeinschaftsschulen für zweckmäßig. Solange diese aber keine Realität sind, sollte man Oberstufe und Abitur an sich wertschätzen als Bildungsgang, der die jungen Menschen sprachlich gewandter, kritischer und weniger anfällig für Verführung macht. Arbeiterkindern, die sich zum Studium entschließen, sollten durch Gewerkschaften und Berufsverbände ganz individuell unterstützt werden. Nicht die Anzahl der Umsteiger ist entscheidend, sondern dass der Umstieg ins andere Milieu gelingt.

ROSEMARIE STEGER, München

Grüne Seelen bestimmen selbst

■ betr.: „Was die grüne Seele will“, taz vom 8. 9. 12

Das Foto zum Text ist frech und genial zugleich: Frau Roth als Museumsdame! Das muss man ihr nicht gleich wünschen, aber zumindest wünscht man sich als Wählerin mit grüner Seele nicht nur neue Gesichter in der Riege ganz vorn, sondern PolitikerInnen, die um gesellschaftspolitische, ökologische, wirtschaftliche, soziale etc. Verbesserungen kämpfen und nicht wegen der Karriere SpitzenkandidatInnen werden wollen. Wer letztlich aber all die kleinen grünen Seelen in Kreuzberg und anderswo vertritt, bestimmen die mit ihrem Kreuz auf dem Wahlzettel selber. MECHTILD LUTZE, Berlin

Polemik oder Unwissenheit?

■ betr.: „Was die grüne Seele will“, taz vom 8. 9. 12

Mit einiger Verwunderung haben wir den Artikel „Was die grüne Seele will“ gelesen. Darin werfen uns Autor Peter Unfried und der ehemalige Vorsitzende der Grünen-Abgeordnetenhausfraktion vor, in Friedrichshain-Kreuzberg keine ökologische Politik zu betreiben. Ideologisch motivierte Polemik oder Unwissenheit? Denn in keinem anderen Berliner Bezirk wurde in den vergangenen Jahren so viel für Ökologie und Klimaschutz bewegt wie in Friedrichshain-Kreuzberg.

Die erste Solaranlage auf einem Berliner Rathausdach steht in der Kreuzberger Yorckstraße. Der Bezirk ist ebenfalls Vorreiter bei der Rückgewinnung von Energie durch Abwasserwärmepumpen. Zwischen 2006 und 2011 wurden in Friedrichshain-Kreuzberg 100 Millionen Euro in Schulgebäude investiert, wobei wir die ökologische Sanierung mit den neuen pädagogischen Anforderungen verbunden haben. Und auch beim Ausbau der Fahrradinfrastruktur hat sich einiges getan. Auf unseren Hauptstraßen gibt es mittlerweile etwa 60 Kilometer Radstreifen und Radwege, und es kommen jedes Jahr neue dazu. 2010 haben wir Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg ein umfassendes Klimaschutzprogramm auf den Weg gebracht – das erste in ganz Berlin. In über 70 konkreten Projekten beschreiben wir darin, wie im Bezirk der CO2-Ausstoß bis 2020 um 45 Prozent reduziert werden kann. Dazu gehört auch, dass wir die Einstellung einer Klimaschutzbeauftragten vorangetrieben haben. Was die Basis für die Behauptung mangelhaften ökologischen Einsatzes sein soll, ist uns nicht so recht klar.

Übrigens: Unser Bezirksbürgermeister Franz Schulz ist der einzige Bürgermeister in Berlin, der keinen Dienstwagen besitzt. Das ist nicht nur ökologisch, für uns ist das der Ausdruck der grünen Seele. GESINE AGENA, Die Grünen aus Friedrichshain-Kreuzberg

Hinrichtung ist nie human

■ betr.: „Suche nach humaner Hinrichtung“, taz vom 12. 9. 12

Eine „humane Hinrichtung“ gibt es nicht. „Human“ steht im diametralen Gegensatz zum Akt der „Hinrichtung“, auf welche Art auch immer. BRIGITTA DORSCHFELDT, Berlin