: Profis werden zu Kabeljungen
SAISONSTART Die deutsche Eishockeyliga tritt aus der Nische des Pay-TV heraus. Mit weiteren Überraschungen rechnet kaum einer
KREFELDs TRAINER RICK ADDUONO
VON CHRISTIANE MITATSELIS
John Tripp bekommt am Freitagabend einen Nebenjob. Der Kapitän der Kölner Haie wird beim DEL-Saisonstart im Spiel gegen die Krefeld Pinguine erstmals der Kabeljunge seines Klubs sein. Schleppen muss der Deutschkanadier aber nichts. Ein nur 200 Gramm schwerer Sender wird an seinem Rücken angebracht, und unter dem Helm ein federleichtes Mikrofon. Die Idee hatte der Red-Bull-Sender Servus TV, der neuerdings DEL-Eishockey überträgt: Er verkabelt – wie im US-Sport schon lange üblich – in jedem Livespiel einen Profi pro Team, um die Zuschauer näher ans Geschehen zu bringen.
Im Eifer des Gefechts wird auf dem Eis natürlich viel geschimpft, gerade die Nordamerikaner sind berühmt für ihre Tiraden aus dem „F“-Wort-Bereich. Damit kein Schwall nichtjugendfreier Kraftausdrücke – oder ein permanentes Zensur-„Piep“ – live über den Äther geht, wählt ein Servus-Redakteur die Sätze der „Cable Guys“ aus, die der Sender dem Publikum zumuten kann – während des Spiels und in den Nachbetrachtungen.
Servus-TV, das zum Imperium von Dietrich Mateschitz gehört, hat in Österreich bereits Erfahrungen mit dem schnellen Kufensport gesammelt, seit 2010 überträgt der Sender dort Spiele der heimischen Elite-Liga – nach eigenen Angaben mit steigendem Erfolg. Über Kabel und Satellit erreicht Servus-TV in Deutschland angeblich 80 Prozent aller Haushalte. 14 Kameras werden bei den Liveübertragungen eingesetzt, in den Werbeunterbrechungen sollen Reporter Interviews mit Spielern am Rande der Bank führen, auch in den Kabinen sind Mikrofone installiert. Pro Spieltag gibt es eine Livepartie, zum Start ausnahmsweise am Freitag, sonsten am Sonntagabend. Außerdem zeigt La-Ola-TV freitags eine Begegnung im Internet. Der EHC München, neuerdings von Red Bull gesponsert, soll bei den Übertragungen nicht bevorzugt werden.
DEL-Chef Gernot Tripcke ist jetzt schon hin und weg von seinem neuen Fernsehvertrag, der bis 2016 läuft. „Das ist ein Meilenstein in der Geschichte der Liga“, sagt er vor Beginn der 19. DEL-Spielzeit. Vorher war Eishockey in Deutschland jahrelang nur im Bezahlfernsehen zu sehen. Auch KEC-Geschäftsführer Thomas Eichin stimmt mit ein in den Jubel: „Das ist genau das, was wir brauchen, um voranzukommen.“ Durch die neue Präsenz im freien TV werde es den 14 DEL-Vereinen künftig leichter fallen, Sponsoren zu finden, fügt Tripcke hinzu: „Wir haben die Möglichkeit, deutlich mehr Aufmerksamkeit zu erreichen und Leute anzusprechen, die nicht zu unseren Stammkunden zählen.“ Servus-TV zahlt zudem pro Jahr etwa 3,5 Millionen Euro an die DEL, jeder Klub bekommt bei gerechter Verteilung 250.000 Euro. Verglichen mit dem Fußball sind das natürlich nur Peanuts. Beim Eishockey, wo viele Vereine von der Hand in den Mund leben, lässt sich davon immerhin das Jahresgehalt eines Topspielers bezahlen.
Während in Sachen Fernsehen alles neu ist, weichen die Saison-Prognosen kaum von denen des Vorjahres ab. Die Eisbären Berlin, die seit 2005 sechsmal Meister waren, sind wieder der erste Titelfavorit der DEL-Coaches. Es scheint sich schon fast Resignation einzustellen: „Es gibt mehrere Klubs, die zu den Favoriten gehören“, sagt etwa Krefelds Trainer Rick Adduono und denkt dabei an Nürnberg, Ingolstadt und Mannheim, „aber am Ende wird es sowieso wieder Berlin.“ Die Kölner Haie, die im zweiten Jahr vom ehemaligen Bundestrainer Uwe Krupp geführt werden, zählen zu den Geheimfavoriten. Sie haben ihren Spieleretat erstmals seit 2008 wieder erhöhen können und den Kader entsprechend aufgerüstet. Mit dem schwedischen Verteidiger Daniel Tjärnqvist, 34, haben sie sogar einen Olympiasieger von 2006 verpflichtet. Krupp sagt: „Berlin ist Favorit, aber wir wollen oben angreifen.“
Die DEL-Vereine, die im April im Playoff-Finale um die Meisterschaft spielen, dürfen sich auf Extraübertragungen freuen. Servus-TV wird jedes Spiel der finalen Serie live zeigen.