: Wer protestiert, wird subventioniert
AGRARPOLITIK Brüssel reagiert auf die Bauernproteste und pumpt noch mehr Geld in die Milchwirtschaft
BRÜSSEL taz | Die EU-Landwirtschaftskommissarin will nicht länger wütende, demonstrierende Milchbauern treffen, wenn sie zur Arbeit fährt. Deshalb stimmte Mariann Fischer Boel gestern zu, 280 Millionen Euro aus EU-Mitteln für einen neuen Hilfsfonds einzusetzen. Sie werden nach dem jeweiligen Anteil an der Milchproduktion auf die Mitgliedstaaten verteilt. Deutschland wird ungefähr 50 Millionen erhalten. Außerdem sollen Butter- und Magermilchexporte weiter subventioniert werden. Das bedeutet, dass die EU-Kommission die Differenz zahlt, wenn der Weltmarktpreis unter einen bestimmten Schwellenwert fällt.
Entwicklungshilfeorganisationen kritisieren, dass die EU mit ihrer protektionistischen Agrarpolitik die Existenz von Kleinbauern in ärmeren Ländern gefährdet. So rechnete Oxfam gestern vor, dass die EU-Kommission bis 13. September dieses Jahres den Export von Milchprodukten mit fast 300 Millionen Euro subventioniert hat – das ist das Zehnfache der Summe, die im gleichen Zeitraum 2008 ausgeschüttet wurde.
Dabei sollte die Agrarreform eigentlich dazu führen, dass die Exportsubventionen schrittweise auslaufen.
Einzig der Präsident des deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, ist zufrieden, dass noch mehr Geld aus Brüssel in die Taschen seiner Klientel fließt. Der Fonds sei zwar zu klein, aber ein Schritt in die richtige Richtung, sagte er nach der Einigung. Das Geld könne für das Schulmilchprogramm oder Grünlandprämien genutzt werden.
Sonnleitners Widersacher Romuald Schaber vom Europäischen Milchviehhalterverband hingegen lehnt Almosen aus Brüssel ab. Er will, dass die Produktionsmenge weiterhin gesetzlich beschränkt bleibt oder sich die Verbände freiwillig eine solche Quote auferlegen dürfen. Die EU-Kommission hatte im Rahmen der Agrarreform beschlossen, die Quote 2015 auslaufen zu lassen.
Zur Quote wolle niemand zurück, sagte Fischer Boel gestern nach dem Treffen der Agrarminister fast beschwörend. Der Markt beruhige sich, inzwischen liege der Butterpreis um 18 Prozent über der Schwelle, an der Brüssel Geld zuschießen muss. In anderen Sektoren, wie zum Beispiel bei den ebenfalls unter Preisverfall leidenden Weizenerzeugern, sei nun aber kein Geld mehr in der Kasse. „Ich bin gerupft, habe meine letzte Feder verloren“, erklärte Fischer Boel. Bis auf die gesetzlich vorgeschriebene Notreserve von 300 Millionen Euro sei der Agrartopf nun leer. DANIELA WEINGÄRTNER