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Archiv-Artikel

Stadtfest de luxe

In diesem Jahr wollte das Viertelfest mehr bieten als Bier und Bratwurst. Der Massenkonsum ist geblieben, doch das kulturelle Niveau ist zumindest stellenweise spürbar gestiegen

Bremen taz ■ Kulturell anspruchsvoll sollte es werden, das Viertelfest, eine Art gehobene Massenunterhaltung mit Anschluss zur Biermeile. 200.000 Euro standen dafür in diesem Jahr bereit, 80.000 davon sind dem Kulturhauptstadtfonds entnommen, ein eigener Intendant und zahlreiche B-Promis wie die „Flying Pickets“, die „Dissidenten“ oder die „Bananafishbones“ traten an, nicht nur das Niveau des Viertelfestes nachhaltig zu heben, sondern auch neues Publikum anzuziehen. Die taz macht den Test.

Her mit dem T-Shirt!

Goetheplatz, Samstag, 20 Uhr, auf der Bühne: „Flying Pickets“

Der Goetheplatz ist auf Anhieb voll, schon mit dem „Police“-Klassiker „Roxane“ kommt so etwas wie Stimmung unter den BremerInnen auf. Simon Fosters Stimme intoniert die Cover-Version wie das männliche Pendant zu Aretha Franklin. „Fünf Männer und kein Instrument“, steht auf dem Plakat zu lesen – fast keines: Der dezente Drum-Computer im Hintergrund ist fast schon ein Schönheitsfehler.

„Ich bin zum ersten Mal hier“, sagt eine Mittdreißigerin, Viertelbewohnerin nichtsdestotrotz: „Eigentlich hasse ich ja Volksfeste wie die Pest.“ Dieses offenbar nicht. „Celebrate good times“ spielt die Band.

Da macht es auch nichts, dass die Technik dem kulturellen Highlight nicht standhält. Immer wieder fällt auf einer der drei großen Bühnen der Strom aus, zwanzig Minuten dauert die Panne bei den „Flying Pickets“. Die BesucherInnen bleiben ihnen dennoch treu, bis zur Zugabe schließlich – unvermeidlich – der alte Hit ertönt: „Only you“. Wie eine Boygroup für das gesetztere Publikum inszeniert sich die Band, noch ein letztes Mal. Foto-Handys klicken, eine Mutter mit zwei Kindern fordert das T-Shirt des muskulösen Sängers Dylan Foster: „Ausziehen!“

Beulen im Blech

Goetheplatz, Samstag, 22.30 Uhr, auf der Bühne: „Fanfare Ciocarlia“

Damit konnte die Single-Jungs von „Flying Pickets“ nicht konkurrieren: Die Brass Band aus Rumänien zieht deutlich mehr Leute auf den Goetheplatz. Es ertönt Highspeed-Blasmusik auf manchmal schon etwas verbeulten Instrumenten, der musikalischen Tradition des Balkans verpflichtet. Nur der Gesang lässt im Vergleich zu den „Flying Pickets“ etwas zu wünschen übrig. Bekannt geworden ist die Band zuletzt durch Fatih Akins Spielfilm „Gegen die Wand“. Die TänzerInnen vor der Bühne haben Mühe, mit dem Tempo mitzuhalten.

Bier trinken und pissen

Ulrichsplatz, Samstag, 23 Uhr, auf der Bühne: „Stehpisser“

„Wer ist denn wegen der Stehpisser hier?“ Die Frage des Moderators ist schnell beantwortet. Das Interesse an der Bremer Band beschränkt sich auf die ersten Reihen, der Rest freut sich über die hohe Bierdichte. Die Mischung aus Country und Rock’n’Roll kann dann immer noch als angenehmer Hintergrund dienen. Und die „Stehpisser“ werden wohl vorerst local heroes bleiben.

Tausende schieben sich durch Oster- und Steintor, bisweilen ein wanderndes Meer aus Regenschirmen. „Eigentlich gibt es keinen Unterschied zu den letzten Jahren“, meint einer. Dann hält er inne: „Fast keinen. Manches ist schon ganz fett.“ Stadtfest de luxe eben.

Jan Zier