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Archiv-Artikel

Alte leben wild und gefährlich

Während die Zahl der Verkehrstoten in Berlin sinkt, steigt sie bei Senioren drastisch an. Viele Unfälle werden zudem von den Älteren im Straßenverkehr selbst verursacht. Polizei will mehr Prävention

VON UWE RADA

Berliner Seniorinnen und Senioren leben immer länger – und gefährlicher. Dies ist das Ergebnis einer polizeilichen Statistik, die am Wochenende bekannt wurde. So sei die Anzahl von Verkehrsunfällen, bei denen Menschen im Alter von über 65 Jahren beteiligt waren, von 7.374 im Jahr 2001 auf 8.659 im Jahr 2004 gestiegen. Diese Entwicklung habe sich auch im ersten Halbjahr 2005 fortgesetzt. Hier gab es einen weiteren Anstieg von 10,9 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2004. Noch dramatischer wird es, wenn man auf die statistische Verteilung der Verkehrstoten schaut. Während in Berlin die Anzahl der bei Verkehrsunfällen Ums-Leben-Gekommenen seit Jahren sinkt, ist sie bei Senioren gestiegen.

Im vergangenen Jahr waren 24 der 71 Verkehrstoten Senioren. „Das sind 36,6 Prozent; dabei beträgt ihr Anteil an der Berliner Bevölkerung gerade 16,7 Prozent“, sagte Thomas Back, im Stab des Polizeipräsidenten für Verkehrsunfallprävention zuständig. Jeder neunte Schwerverletzte war im Pensionsalter.

Als Ursache für den dramatischen Anstieg sieht Back die wachsende Mobilität der Senioren. Dies habe auch Auswirkungen auf die Verkehrsunfallprävention. Nicht mehr nur Kinder und Schüler bekommen von der Polizei inzwischen Unterricht, sondern auch die Älteren unter den Verkehrsteilnehmern. Im Vorjahr haben die 73 Verkehrssicherheitsberater der Berliner Polizei in 85 Veranstaltungen 3.514 Senioren erreicht.

Bei Veranstaltungen etwa in Seniorenheimen werden Tipps gegeben, wie ältere Leute selbst zur Unfallverhütung beitragen können. „Sie sollten nicht immer den kürzesten Weg über die Straße wählen, sondern Fußgängerüberwege und Ampelanlagen nutzen“, sagte der Experte. In der dunklen Jahreszeit sollten auch Ältere helle Kleidung oder wenigstens einen hellen Mantel tragen, um besser gesehen zu werden. Laut Back soll die Zahl der Präventionsveranstaltungen deutlich erhöht werden.

Doch Senioren sind nicht nur Unfallopfer, sie sind auch Unfallverursacher. So gingen von den 8.659 Unfällen 2004 mit Seniorenbeteiligung 61 Prozent auf Kosten der Pensionäre. Ein Trend, den es nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland und Europa gibt. Nicht zuletzt deshalb hatte die Brüsseler EU-Kommission auf Anregung von Italien im vergangenen Jahr gefordert, regelmäßige Gesundheitschecks bei Senioren im Zusammenhang mit einer Überprüfung der Fahrerlaubnis einzuführen. Diese Forderung ist zwar inzwischen vom Tisch, das Problem bleibt aber.

Insbesondere für den grünen Verkehrspolitiker und EU-Abgeordneten Michael Cramer besteht deshalb Handlungsbedarf. „Ich bin zwar gegen eine Altersdiskriminierung, wohl aber für eine regelmäßige Überprüfung der Fahrtauglichkeit.“ Laut Cramer solle etwa der EU-Führerschein nur zehn Jahre lang gelten und dann, wie ein Personalausweis, neu ausgestellt werden – neues Passbild, Sehtest und Gesundheitscheck inklusive.