: Ein warmes Ei am Herzen
SCHLAMMSPORT Die Hamburger Blue Devils gehörten jahrelang zu den Spitzenteams des American Football in Deutschland – bis sie die Lizenz verloren und in die Regionalliga absackten. Der Glamour ist fort. Was bleibt, ist der Matsch
Hervorgegangen sind die Blue Devils, anfänglich noch unter dem Namen Hamburg Hornets geläufig, 1992 aus den Hamburg Dolphins und den Harburg Rubberducks.
■ Aus der dritten Liga ging es rasch in die zweite. Später spielte das Team eine Weile gegen ausgewählte europäische Gegner in den „Schweppes Cool Masters“.
■ 1994 unterlagen die Devils im Endspiel der Football League of Europe den Stockholm Nordic Vikings im Volksparkstadion.
■ Von 1996 bis 1998 gewannen die Devils den Eurobowl.
■ 1996 und von 2001 bis 2003 waren sie Deutscher Meister.
VON ROGER REPPLINGER
Klingt schön, wenn die Regentropfen auf das rotweiße Flatterband prasseln, das rund ums Spielfeld gespannt ist. Ulf Hüne von den Göttingen Generals läuft das Wasser in den Nacken, weil vom Zelt, das die Blue Devils für ihren Gegner aufgespannt haben und unter dem Hüne sitzt, das Wasser in Bahnen fließt. In großen Mengen und mit Affenzahn. Hüne, 195 Zentimeter groß, „ungefähr“, wie er sagt, und 125 Kilo schwer, „so etwa“, merkt nichts. Auch eine Dusche oder ein Wasserwerfer könnten ihn nicht nasser machen als er ist.
Unter dem Zelt haben die Generals ihre Klamotten, Klebeband, Getränke, ein paar Stühle, eine Bank. Was man so braucht. Die Devils haben kein Zelt. Ist irgendwie lasch. Sind nicht aus Zucker, die Devils. Auch das Reden vom Wetter ist lasch.
Also lassen wir es.
Nur dies vielleicht noch: Ums Spielfeld herum, in dem Bereich, der den Rasen von den Zuschauern trennt, haben sich riesige Lachen gebildet. Gras schwimmt da, und Schlamm. Das Wasser braun und blasig. Die Lachen sind so groß, dass einer der Spieler der Generals in der Pause auf den Zehenspitzen durchwatet. Wir sind beim Football und es verschafft Genugtuung zu sehen, dass harte Männer mit Schultern breit wie Türen auf Zehenspitzen durchs Wasser waten. Lasch eben.
Vielleicht liegt es auch an der Liga. Der Dritten. Der Regionalliga. Dort ist Football Amateursport. Vielleicht würden sie in der German Football League I (GLF), wo die Plattling Black Hawks und die Munich Cowboys und die Weinheim Longhorns und die Kiel Baltic Hurricanes spielen, mittendurch bretzeln. Und vielleicht auch in der German Football League II. Die NFL Europe gibt es nicht mehr. Dieses merkwürdige Gebilde mit US-Trainern und US-Spielern, von der National Football League (NFL) gegründet und finanziert, das sich nie durchsetzen konnte, jedenfalls nicht so, wie sich das die NFL-Bosse vorstellten. Die NFL Europe, und damit auch die Hamburg Sea Devils, kamen und gingen wie ein Wolkenbruch.
Aber nun genug vom Wetter.
Nur eins noch: Die Cheerleader der Blue Devils heißen Angel Spirit. Heute sind da: Sarah 20, Abiturientin, Jana I, 19, Schülerin, Jana II, 24, Beamtin, und Janina, 27, Hotelfachfrau. Die Engel haben heute die warmen Sachen an: Jogginganzüge, Regencapes. Nicht die kurzen Sachen. Erkältungsgefahr. Vielleicht kann man das, was da am Samstag ab 15 Uhr im Stadion an der Memellandallee 7 abging, am besten dadurch beschreiben, dass man sagt, dass einer der Betreuer der Blue Devils sein Ei am Herzen trug. Ein Footballei. Um es warm und trocken zu halten. Falls dem anderen, das im Spiel war, die Lust und die Luft ausgehen würde. Und die Schiedsrichter hatten riesige weiße Handtücher in ihrem Hosenbund hängen, mit dem sie das Ei sauber machten.
Liebevoll. Sehr liebevoll.
Die Blue Devils haben schon bessere Zeiten gesehen, waren mehrfach Deutscher Meister und spielten bis zur Saison 2009 14 Jahre ununterbrochen in der ersten Liga. Können nicht viele von sich sagen. Vor der Saison 2009 wollte der Verband 10.000 Euro für die Lizenz, 5.000 Euro Kaution. „Das war kein Problem“, erklärt Devils-Präsident Domink Seyler, aber dann wurden noch mal 50.000 Euro Sicherheit verlangt. „Das war nicht zu machen“.
Seyler, der als Franchise-Unternehmer vier Filialen der Fastfoodkette Subway betreibt, war lange Spieler bei den Devils, ist noch nicht ganz so lange Sponsor und als Präsident ziemlich neu. Die Devils gaben die Profilizenz zurück, starteten einen Neuaufbau, sortierten sich und spielen nun Regionalliga. Das ist eine Liga, in der man keine Lizenz braucht und die wegen der Devils von sechs auf sieben Teams aufgestockt wurde. Eines sind die Göttingen Generals.
Die Devils haben diese Liga, in der sie nichts zu suchen haben, eine Saison lang geärgert, kein Spiel verloren, zwölfmal gewonnen, das gegen die feuchten Generäle mit 12 : 0. Nun spielen sie am 24. Oktober gegen die Mönchengladbach Mavericks um den Aufstieg in die GFL II. Seyler sagt, dass ihm „nichts einfällt, was gegen die Erteilung einer Lizenz sprechen könnte“. Wenn es nicht schüttet wie aus Eimern, kommen dann auch mehr als die 200 Zuschauer, die am Samstag da waren. Dann ist auch mehr American Football zu sehen und den Spielern flutscht nicht ständig das Ei aus der Hand, weil es schmierig ist wie Seife. Da kann der Schiedsrichter noch so viel putzen.
Der Headcoach der Devils ist Max von Garnier, der in Hamburg alles mitgemacht hat. Die große Zeit, den Absturz, bis zur vergangenen Saison als Spieler. Garnier war Nationalspieler, Nationaltrainer, Europameister. „Unser Trainerstab hat sich gegenüber der Zeit in der GLF nicht verändert, er hat GFL-Standard“, sagt Seyler. In der nächsten Saison kommen 20 Nachwuchsspieler in den Seniorenbereich. Von den großen Ex-Spielern sind ein paar ins Trainerfach gewechselt. So auch der Ex-Verteidiger Toure Butler, der College-Football gespielt hat, GFL, und nun die Devils-Defense trainiert.
Es gibt keine Profis mehr bei den Devils. Sascha Sohrabati ist Superintendent einer Reederei, Milan Misic studiert Mediendesign und arbeitet als Packetpacker. „Amateure, Amateure. Alles Amateure, keiner kriegt Geld“, sagt Seyler.
Der Schiedsrichter haucht in die Hände, ruft nach Kaffee, und der Rasen schmatzt, wenn die Spieler der Blue Devils in die gegnerische Endzone laufen. Wenn die Jungs in ihren Monturen aufeinander krachen, machen sie ein dumpfes Geräusch. An dem selbst in der Pause verdammt leeren Grillstand sagt einer: „Wenn du was Warmes willst, nimm ein Bier.“
Nicht neu, passt aber.